Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Unsterblichkeitsprogramm

Das Unsterblichkeitsprogramm

Titel: Das Unsterblichkeitsprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
verbunden. Dieses System wiederum ragte wie ein schwerer Altar zu Ehren eines ungemütlichen Spinnengottes vor uns auf. Wir gingen über einen Metallsteg darauf zu, der etwa zwanzig Zentimeter über den erstarrten Windungen der Datenleitungen verlief. Auf beiden Seiten waren die quadratischen Glaswände von zwei geräumigen Dekantierungstanks zu erkennen. Im rechten Tank befand sich bereits ein Sleeve, der im Gegenlicht schwamm und von den Kontrollkabeln in Kreuzigungspositur gehalten wurde.
    Es war wie in einer andrischen Kathedrale von Newpest.
    Carnage ging zum Überwachungssystem, drehte sich um und breitete die Arme aus, fast genauso wie der Sleeve schräg hinter ihm.
    »Wo möchten Sie anfangen? Ich vermute doch, dass Sie ausgeklügelte Instrumente zum Aufspüren von Bomben mitgebracht haben.«
    Ortega ging nicht darauf ein. Sie trat etwas näher an den Dekantierungstank heran und blickte im kühlen grünen Licht auf, das er in den dunklen Raum warf. »Ist das eine der Huren für heute Abend?«, fragte sie.
    Carnage schniefte. »Um die Antwort abzukürzen – ja. Ich wünschte, Sie würden den Unterschied zu dem verstehen, was in den dreckigen kleinen Läden an der Küste feilgeboten wird.«
    »Ich auch«, erwiderte Ortega, ohne den Blick vom Körper abzuwenden. »Woher haben Sie dieses Exemplar bekommen?«
    »Woher soll ich das wissen?« Carnage musterte mit gespieltem Interesse die Plastik-Fingernägel an seiner rechten Hand. »Natürlich haben wir irgendwo eine Rechnung, falls Sie sich tatsächlich von der Rechtmäßigkeit des Kaufs überzeugen wollen. Aber so wie er aussieht, würde ich sagen, dass er von Nippon Organics kommt. Oder von einem der pazifischen Konzerne. Spielt das wirklich eine Rolle?«
    Ich trat vor die Wand und sah mir den schwimmenden Sleeve genauer an. Schlank, braunhäutig und kräftig, mit den leicht geschrägten japanischen Augen über unbezwingbar hohen Wangenknochen, dazu dickes, glattes Haar in undurchdringlichem Schwarz, das wie Tang in der Flüssigkeit dahintrieb. Von geschmeidiger Schönheit, mit den langen Händen eines Künstlers, aber genügend Muskeln für einen rasanten Kampf. Es war der Körper eines Tech-Ninja, wie ich ihn mir mit fünfzehn Jahren an verregneten Tagen in Newpest erträumt hatte. Er kam dem Sleeve recht nahe, den man mir gegeben hatte, als ich mich in den Krieg auf Sharya stürzen sollte. Er war eine Variante des Typs, den ich mit meiner ersten großen Ablösezahlung in Millsport gekauft hatte – des Sleeves, in dem ich Sarah begegnet war.
    Es war, als würde ich mich selbst unter Glas betrachten. Mein Ich, das ich irgendwo in den Windungen meines Gedächtnisses konstruiert hatte, das bis in die Kindheit zurückreichte. Plötzlich stand ich als jemand, der in den Körper eines Weißen verbannt war, auf der falschen Seite des Spiegels.
    Carnage trat neben mich und schlug mit der Hand gegen das Glas. »Gefällt er Ihnen, Detective Ryker?« Als ich nichts sagte, redete er weiter. »Davon bin ich überzeugt. Jemandem wie Ihnen, mit Ihrer Neigung zu, sagen wir: Raufereien, muss er einfach gefallen. Ein Typ mit bemerkenswerten Eigenschaften. Verstärktes Chassis, die Knochen bestehen aus in Kultur gezüchteter Marklegierung, die mit Gelenken aus Poly-Ligamenten und Sehnen aus stabilen Kohlenstofffasern versehen sind. Dazu ein Khumalo-Neurachem…«
    »Ein gutes Neurachem«, sagte ich, um irgendetwas zu sagen.
    »Ich weiß alles über Ihr Neurachem, Detective Ryker.« Trotz der minderwertigen Stimme glaubte ich, eine Spur von widerlichem Entzücken auszumachen. »Die Kampfarena hat Ihre Spezifikationen abgerufen, als Sie im Stack lagen. Es wurde diskutiert, ob Sie aufgekauft werden sollten, müssen Sie wissen. Ihr Körper, meine ich. Wir hatten die Idee, Ihren Sleeve für eine demütigende Schlägerei zu verwenden. Natürlich nur zum Schein. So etwas würden wir hier niemals tatsächlich machen. Das wäre schließlich… kriminell.« Carnage legte eine dramatische Pause ein. »Aber dann wurde entschieden, dass Demütigungskämpfe unserer… Philosophie widersprechen würden. Es wäre, sagen wir, unter unserem Niveau. Kein echter Wettkampf. Eigentlich schade. Da Sie sich so viele Freunde gemacht haben, wären Sie bestimmt ein Publikumsmagnet gewesen.«
    Ich hörte ihm gar nicht richtig zu, doch dann dämmerte mir, dass er Ryker beleidigte. Ich wandte mich von der Glasscheibe ab und fixierte ihn mit einem Blick, der mir angemessen schien.
    »Aber ich schweife ab«,

Weitere Kostenlose Bücher