Das Unsterblichkeitsprogramm
fuhr der Synth geschickt fort. »Ich wollte damit nur sagen, dass Ihr Neurachem im Vergleich zu diesem System genauso ist wie meine Stimme im Vergleich zu der von Anchana Salomao. Das hier«, und er zeigte erneut auf den Tank, »ist ein Khumalo-Neurachem. Das Patent wurde erst letztes Jahr von Cape Neuronics angemeldet. Eine Neuentwicklung von geradezu spirituellen Ausmaßen. Es gibt keine synaptischen chemischen Verstärker mehr, keine Servo-Chips oder implantierte Drähte. Das System ist mit dem Körper gewachsen und reagiert direkt auf die Gedanken. Machen Sie sich das bitte bewusst, Detective. Bisher existiert dieser Typ nur auf der Erde. Die Vereinten Nationen überlegen angeblich, ob sie ein zehnjähriges koloniales Embargo verhängen sollen, obwohl ich persönlich Zweifel hege, was die Wirksamkeit einer solchen…«
»Carnage.« Ortega näherte sich ungeduldig von hinten. »Warum haben Sie den zweiten Kämpfer noch nicht dekantiert?«
»Aber das tun wir doch gerade, Lieutenant.« Carnage deutete auf die aufgereihten Röhren links von uns. Dahinter waren die Arbeitsgeräusche einer schweren Maschine zu hören. Ich blickte ins Zwielicht und erkannte einen großen automatischen Gabelstapler, der an den Behältern vorbeirollte. Während wir zusahen, hielt er an, und ein heller Strahler schaltete sich ein. Die Gabeln griffen nach einer Röhre und zogen sie aus ihrer Kettenwiege, während kleinere Servos die Kabel abzogen. Als die Trennung vollzogen war, wich die Maschine ein Stück zurück, drehte sich und rollte an den Reihen vorbei zum leeren Dekantierungstank.
»Das System arbeitet vollautomatisch«, erklärte Carnage überflüssigerweise.
Unter dem Tank bemerkte ich nun drei kreisrunde Öffnungen, die wie die Ladeports eines IP-Kampfraumschiffs aussahen. Der Gabelstapler erhob sich ein Stückchen auf hydraulischen Kolben und schob die Röhre in den mittleren Port. Der Behälter passte genau hinein. Das sichtbare Ende drehte sich um etwa neunzig Grad, bevor es hinter einer zuschlagenden Stahlklappe verschwand. Nach getaner Arbeit zog der Gabelstapler die Kolben wieder ein, dann schalteten sich seine Systeme ab.
Ich beobachtete den Tank.
Es kam mir recht lange vor, obwohl es in Wirklichkeit weniger als eine Minute dauerte. Im Boden des Tanks öffnete sich eine Luke und ein silbriger Schwarm aus Luftblasen stieg empor. Ihnen folgte langsam der Körper. Er trieb für einen Moment in Embryonalhaltung dahin und drehte sich in der Strömung, die die entweichende Luft verursacht hatte. Dann streckten sich die Arme und Beine, unterstützt vom sanften Zug der Kontrollkabel, die an den Hand- und Fußgelenken befestigt waren. Er war grobknöchiger als der Khumalo-Sleeve, klobiger und mit ausgeprägteren Muskeln, aber von ähnlicher Hautfarbe. Ein derbes Gesicht mit Adlernase wandte sich langsam in unsere Richtung, während die dünnen Kabel den Körper aufrichteten.
»Der sharyanische Märtyrer der Rechten Hand Gottes«, sagte Carnage strahlend. »Natürlich nicht der echte, aber die Ausführung ist akkurat, und er verfügt über ein authentisches verstärktes Reaktionssystem vom Typ Gottes Wille.« Er deutete mit einem Nicken zum anderen Tank. »Unter den Marines auf Sharya waren viele Rassen vertreten, aber es waren genügend Japaner darunter, um die Sache glaubwürdig zu machen.«
»Also kein besonders fairer Wettkampf, würde ich sagen«, warf ich ein. »Das modernste Neurachem gegen einen Jahrhunderte alten Biomech von Sharya.«
Carnage verzog seine schlaffe Silikohaut zu einem Grinsen. »Nun, das hängt ganz von den Kämpfern ab. Wie ich hörte, dauert es eine Weile, bis man sich an das Khumalo-System gewöhnt hat, und um ehrlich zu sein, ist es keineswegs so, dass stets der beste Sleeve gewinnt. Die Psychologie spielt eine sehr große Rolle. Ausdauer, Schmerzunempfindlichkeit…«
»Brutalität«, fügte Ortega hinzu, »Mangel an Mitgefühl.«
»Genau solche Dinge«, stimmte der Synth ihr zu. »Das macht es natürlich so spannend. Wenn Sie heute Abend kommen möchten, Lieutenant, Detective, bin ich überzeugt, dass ich Ihnen zwei Remittendensitze ganz hinten besorgen kann.«
»Sie werden den Kampf kommentieren«, mutmaßte ich, da ich bereits die mit technischen Angaben gespickte Ankündigung hörte, die Carnage über die Lautsprecheranlage verbreiten würde, während der Todesring in grellem weißem Licht lag, die unruhige Menge im dunklen Zuschauerbereich grölte und es nach Schweiß und Mordlust
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