Das Unsterblichkeitsprogramm
vor Mitternacht anzeigten. Dazwischen hing eine Sammlung aller möglichen der Menschheit bekannten Lampen, von prähistorischem Ton bis zu Lichtkanistern, die mit Enzymzerfall arbeiteten. An beiden Seiten waren Sitzbänke angebracht, davor standen Tische mit Ziffernblättern als Platten, und in der Mitte befand sich eine kreisrunde Bar, die wie eine Stoppuhr gestaltet war. Ein Roboter, der sich ausschließlich aus Uhren und Lampen zusammensetzte, wartete reglos genau hinter der Zwölf auf dem Ziffernblatt.
Umso unheimlicher war das Fehlen weiterer Gäste, und während wir uns dem wartenden Roboter näherten, spürte ich, wie Curtis’ merkwürdige Stimmung ein wenig abflaute.
»Was darf es sein, meine Herren?«, fragte die Maschine. Es war nicht zu erkennen, woher die Stimme kam. Das Gesicht war eine antike weiße Analoguhr mit spinnendünnen barocken Zeigern und römischen Ziffern. Etwas entnervt drehte ich mich zu Curtis um, dessen Miene deutliche Anzeichen der Ernüchterung aufwies.
»Wodka«, sagte er knapp. »Unter Null Grad.«
»Und einen Whisky. Dasselbe, was ich aus der Bar in meinem Zimmer genommen habe. Bei Zimmertemperatur bitte. Beides auf meine Rechnung.«
Der Uhrenkopf verneigte sich leicht, dann hob sich ein vielgelenkiger Arm und wählte zwei Gläser aus, die hinter ihm auf dem Regal standen. Der andere Arm, der in einer Lampe mit zahlreichen Röhrchen endete, füllte die Gläser mit den gewünschten Spirituosen.
Curtis nahm sein Glas und kippte einen großzügigen Schluck hinunter. Dann sog er zischend die Luft durch die Zähne ein und stieß ein befriedigtes Knurren aus. Ich nippte etwas vorsichtiger von meinem Drink, weil ich mich fragte, wie lange es schon her war, seit sich die Flüssigkeit in den Röhren und Hähnen der Bar das letzte Mal bewegt hatte. Meine Befürchtungen erwiesen sich als unbegründet, also nahm ich einen größeren Schluck und ließ den Whisky warm durch meine Kehle rinnen.
Curtis knallte sein Glas auf den Tisch.
»Sind Sie jetzt bereit, mit mir zu reden?«
»Sicher, Curtis«, sagte ich und blickte in mein Glas. »Ich kann mir vorstellen, dass Sie eine Botschaft für mich haben.«
»Klar doch.« Seine Stimme war so überdreht, dass sie umzukippen drohte. »Die Lady sagt, dass Sie ihr sehr großzügiges Angebot annehmen oder es bleiben lassen sollten. Mehr nicht. Ich soll Ihnen genügend Zeit zum Überlegen lassen, also werde ich noch austrinken.«
Ich richtete den Blick auf eine marsianische Sandlampe, die an der Wand gegenüber hing. Allmählich wurde mir der Grund für Curtis’ Stimmung etwas klarer.
»Bin ich in Ihr Revier eingedrungen?«
»Fordern Sie Ihr Glück nicht heraus, Kovacs.« Seine Worte hatten einen verzweifelten Unterton. »Wenn Sie auch nur eine falsche Silbe sagen, werde ich…«
» Was werden Sie?« Ich stellte mein Glas ab und wandte mich ihm zu. Er war subjektiv nur halb so alt wie ich, jung, muskulös und chemisch davon überzeugt, dass er äußerst gefährlich war. Er erinnerte mich so sehr an mich selbst im gleichen Alter, dass es mich wahnsinnig machte. Ich hätte ihn am liebsten durchgeschüttelt. »Was werden Sie?«
Curtis schluckte. »Ich war bei den Provinz-Marines.«
»Als was? Als Pin-up?« Ich hob eine Faust, um ihm einen Schlag gegen die Brust zu versetzen, doch dann nahm ich sie beschämt wieder herunter. Ich senkte die Stimme. »Hören Sie zu, Curtis. Ersparen Sie uns beiden eine Menge Ärger.«
»Sie halten sich wohl für einen knallharten Typen, was?«
»Hier geht es nicht darum, wer knallhart ist… Curtis.« Ich hätte ihn fast »Kleiner« genannt. Es schien fast so, als wäre ein Teil von mir ganz wild auf den Kampf. »Hier geht es um zwei unterschiedliche Spezies. Was hat man Ihnen bei den Provinz-Marines beigebracht? Den Nahkampf Mann gegen Mann? Siebenundzwanzig Arten, wie man jemanden mit bloßen Händen tötet? Sie sind trotz allem immer noch ein Mensch geblieben, Curtis. Ich dagegen bin ein Envoy. Das ist nicht das Gleiche.«
Trotzdem ging er auf mich los, mit einem geraden Stoß, der mich ablenken sollte, während er mit einem weit ausholenden Fußtritt nachsetzte, der mich seitlich am Kopf treffen sollte. Er hätte mir den Schädel zerschmettert, wenn der Schlag ins Ziel gegangen wäre, aber die Aktion war von übertriebener, hoffnungsloser Dramatik. Vielleicht lag es an den Chemikalien, mit denen er sich implementiert hatte. Niemand, der noch bei Verstand war, setzte in einem echten Kampf Fußtritte über
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