Das Unsterblichkeitsprogramm
eine großzügige Geste. »Haben Sie es schon ausprobiert?«
»Mehrere Male.«
»Das ist wie in einem Fischernetz Flamenco zu tanzen, nicht wahr?«
»Es ist etwas hart«, gab ich zu.
Diesmal lachten wir beide. Als wir verstummten, konzentrierte sich der Polizist wieder auf sein Glas. Seine Miene wurde plötzlich ernst.
»Ich will Sie nicht unter Druck setzen. Ich rate Ihnen nur, es ruhig anzugehen. Das alles könnte leicht zu viel für Sie werden.«
»Geht mir genauso«, sagte ich seufzend. »Das hier ist nicht mal mein Planet.«
Bautista sah mich mitfühlend oder vielleicht auch nur betrunken an. »Harlans Welt dürfte ein großer Unterschied zur Erde sein, schätze ich.«
»Sie schätzen richtig. Hören Sie, ich möchte nicht unsensibel erscheinen, aber hat noch niemand Ortega klar zu machen versucht, dass Ryker so gut wie tot ist? So tot, wie jemand ohne RT sein kann. Sie wird doch nicht zweihundert Jahre auf ihn warten wollen, oder?«
Der Polizist sah mich mit leicht zusammengekniffenen Augen an. »Also haben Sie einiges über Ryker gehört, wie?«
»Ich weiß, dass man ihm die doppelte Zeit aufgebrummt hat. Ich weiß, weswegen er gestackt wurde.«
In Bautistas Augen war etwas, das wie die Scherben eines alten Schmerzes aussah. Es war bestimmt kein Vergnügen, über korrupte Kollegen zu reden. Für einen Moment bedauerte ich, was ich gesagt hatte.
Lokalkolorit. Saug es auf.
»Wollen Sie sich setzen?«, sagte er unbehaglich und sah sich nach Barhockern um, die offensichtlich irgendwann entfernt worden waren. »Vielleicht da drüben an einem Tisch? Es dauert ein Weilchen, die Geschichte zu erzählen.«
Wir setzten uns an einen Tisch mit Ziffernblatt, und Bautista kramte in seinen Taschen nach Zigaretten. Ich zuckte zusammen, doch als er mir eine anbot, schüttelte ich den Kopf. Er wirkte genauso überrascht wie Ortega.
»Ich habe aufgehört.«
»In diesem Sleeve?« Bautista hob voller Respekt die Augenbrauen hinter einem Schleier aus duftendem blauem Dunst. »Ich gratuliere.«
»Danke. Sie wollten mir etwas über Ryker erzählen.«
»Ryker«, begann der Polizist, stieß eine Rauchwolke durch die Nase aus und lehnte sich zurück, »hat bis vor ein paar Jahren mit den Jungs vom Sleeve-Diebstahl zusammengearbeitet. Im Vergleich zu uns ist das eine richtig intellektuelle Truppe. Es ist nicht so einfach, einen kompletten, intakten Sleeve zu stehlen, sodass die Kriminellen mit der Herausforderung gewachsen sind. Es kommt gelegentlich zu Querverbindungen mit der OD, hauptsächlich, wenn die Leute die Körper auseinander nehmen. Zum Beispiel in Einrichtungen wie der Wei-Klinik.«
»Aha?«, sagte ich in neutralem Tonfall.
Bautista nickte. »Ja, jemand hat uns dort gestern sehr viel Zeit und Mühe erspart und den Laden in ein Geschäft für Ersatzteile verwandelt. Aber ich schätze, davon wissen Sie nichts.«
»Muss passiert sein, nachdem ich zur Tür hinausspaziert bin.«
»Ja… wie dem auch sei. Damals im Winter ’09 hat Ryker in einem Versicherungsbetrug ermittelt. Sie kennen das bestimmt, wenn sich herausstellt, dass die Klone für eine Resleeving-Police nur leere Tanks sind und niemand weiß, wohin die Körper verschwunden sind. In diesem Fall wurden die Körper sogar für irgendeinen schmutzigen kleinen Krieg im Süden benutzt. Korruption auf höchster Ebene. Die Wellen schlugen bis zum UN-Präsidium hinauf und wieder herunter. Ein paar Köpfe rollten, aber es waren nur Bauernopfer, und Ryker wurde zum Helden ernannt.«
»Nett.«
»Kurzfristig betrachtet ja. Aber hier läuft es so, dass Helden großes öffentliches Interesse erregen. Ryker hat das komplette Programm mitgemacht. Interviews auf WorldWeb One, sogar eins mit Sandy Kim. Schlagzeilen auf jedem Fax. Bevor die Sache abflaute, ergriff Ryker seine große Gelegenheit. Beantragte die Versetzung zur OD. Er hatte schon ein paarmal mit Ortega zusammengearbeitet, genauso wie ich ab und zu mit ihr zu tun habe, also wusste er, was ihn erwartete. Die Abteilung konnte ihn unmöglich ablehnen. Vor allem, nachdem er die bescheuerte Rede gehalten hatte, in der er ankündigte, dass er von nun an etwas bewirken wollte.«
»Und? Konnte er etwas bewirken?«
Bautista blies die Wangen auf. »Er war ein guter Polizist. Vielleicht. In den ersten Wochen hätte man Ortega noch danach frage können, aber dann taten sich die beiden zusammen, worauf ihr Urteilsvermögen völlig den Bach runterging.«
»Sie billigen das nicht?«
»He, was gibt es da zu
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