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Das Unsterblichkeitsprogramm

Das Unsterblichkeitsprogramm

Titel: Das Unsterblichkeitsprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
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verzog das Gesicht. Im Vergleich zu Kawahara war der Tod mühelos mit K.o. nach drei Runden zu besiegen.
    Ich blieb am Bug stehen und suchte mir einen Punkt am Horizont, den ich beobachten wollte, bis Ortega eine Entscheidung getroffen hatte.
    Stellen Sie sich vor, Sie hätten vor langer Zeit jemanden gekannt. Sie teilen vieles miteinander, Sie lernen sich von vielen Seiten kennen. Dann bewegen Sie sich voneinander fort, das Leben treibt Sie in unterschiedliche Richtungen davon; die Bande zwischen Ihnen sind nicht stark genug. Oder Sie werden durch äußere Umstände auseinander gerissen. Jahre später treffen Sie diese Person wieder, im gleichen Sleeve, und Sie machen das alles noch einmal durch. Worin liegt der Reiz? Ist es überhaupt noch dieselbe Person? Sie trägt wahrscheinlich noch denselben Namen und hat ungefähr dasselbe körperliche Aussehen, aber ist es deshalb dieselbe Person? Und wenn nicht, werden dadurch die Dinge, die sich verändert haben, unwichtig oder nebensächlich? Menschen verändern sich, aber in welchem Ausmaß? Als Kind hatte ich daran geglaubt, dass es so etwas wie eine essentielle Persönlichkeit gibt, um die herum sich oberflächliche Faktoren entwickeln und verändern, ohne die Integrität der Person zu beschädigen. Später erkannte ich, dass das ein Wahrnehmungsfehler ist, der durch die Metaphern erzeugt wird, mit denen wir uns beschreiben. Was wir für eine Persönlichkeit halten, ist nicht mehr als eine der Wellen, die in veränderlicher Gestalt an mir vorbeiziehen. Oder wenn man es auf eine angemessenere Geschwindigkeit reduzieren will, kann man es mit der Gestalt einer Sanddüne vergleichen. Der Reiz bestimmt die Form. Sie reagiert auf Wind, Gravitation, Erziehung, die Anordnung der Gene. Alles unterliegt der Erosion und Veränderung. Dem kann man sich nur entziehen, wenn man für immer in den Stack geht.
    Genauso wie ein primitiver Sextant mittels der Illusion funktioniert, dass die Sonne und die Sterne um den Planeten rotieren, auf dem man sich befindet, vermitteln unsere Sinne uns die Illusion eines stabilen Universums. Und wir akzeptieren sie, denn ohne diese Akzeptanz könnten wir gar nichts bewirken.
    Virginia Vidaura, die im Seminarraum auf und ab ging und ganz im Vortragsmodus aufging.
    Doch die Tatsache, dass man mit einem Sextanten akkurat auf einem Ozean navigieren kann, bedeutet nicht, dass sich die Sonne und die Sterne wirklich um uns drehen. Trotz allem, was wir als Zivilisation und als Individuen geleistet haben, ist das Universum oder irgendeiner seiner Faktoren nicht stabil. Sterne verbrauchen ihren Brennstoff, das Universum selbst treibt auseinander, und wir bestehen nur aus Materie, die sich im ständigen Fluss befindet. Eine Zellkolonie, die sich für eine gewisse Zeitdauer zusammengefunden hat. Die Einzelzellen teilen sich und sterben ab, angetrieben von einer glühenden Wolke aus elektrischen Impulsen und einem auf prekäre Weise gespeicherten Code aus Kohlenstoffatomen. Das ist die Realität, das ist Selbsterkenntnis, und die Erfahrung lässt natürlich jeden schwindeln. Einige von euch haben im Vakuumkommando gedient und denken jetzt zweifellos, dass sie dort das existenzielle Schwindelgefühl erlebt haben.
    Ein dünnes Lächeln.
    Ihr könnt mir glauben, dass die Zen-Momente, an denen ihr euch möglicherweise im realen Weltraum ergötzt habt, nicht mehr als der Anfang dessen waren, was ihr hier lernen müsst. Alles, was ihr als Envoys leistet, muss auf der Basis der Erkenntnis stehen, dass sich alles im Fluss befindet. Selbst das, was ihr als Envoys wahrnehmen wollt, muss aus diesem Fluss entspringen.
    Ich wünsche euch jedes erdenkliche Glück.
    Wenn man nicht einmal demselben Menschen zweimal begegnen konnte, im selben Sleeve, was bedeutete das dann für all die Familienangehörigen und Freunde, die im Downloadzentrum auf jemanden warten, den sie einst kannten und der nun durch die Augen eines Fremden blickt? Wie konnte das auch nur ansatzweise dieselbe Person sein?
    Und was bedeutete es für eine Frau, die sich leidenschaftlich einem Fremden hingab, der einen Körper trug, den sie einst geliebt hatte? War die Entfremdung größer oder kleiner?
    Und was bedeutete es für den Fremden, der darauf reagierte?
    Ich hörte, wie sie an der Reling auf mich zukam. Sie blieb ein paar Schritte entfernt stehen und räusperte sich leise. Ich unterdrückte ein Lächeln und drehte mich zu ihr um.
    »Ich glaube, ich bin noch gar nicht dazu gekommen, dir zu erzählen, wie

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