Das Unsterblichkeitsprogramm
Anekdote von der Erde Bescheid weiß?«
Ortega sagte nichts, aber ihre Mundwinkel waren angewidert verzogen.
»Ich weiß es, weil Kawahara es mir erzählt hat. Diesen Job hat sie als Jugendliche gemacht. Sie war eine Wasserträgerin. Und sie ist stolz darauf.«
Das Telefon summte.
Ich verscheuchte Ortega aus dem Bildbereich und ging ran.
»Kovacs?« Es war Rodrigo Bautista. »Ist Ortega bei Ihnen?«
»Nein«, log ich automatisch. »Hab sie schon seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen. Gibt es Probleme?«
»Äh… wahrscheinlich nicht. Sie ist wieder mal vom Angesicht dieses Planeten verschwunden. Wenn Sie sie sehen, sagen Sie ihr bitte, dass sie heute Nachmittag eine Versammlung der Truppe verpasst hat und dass Captain Murawa gar nicht begeistert war.«
»Sollte ich mit ihrem Besuch rechnen?«
»Bei Ortega weiß man nie.« Bautista breitete die Hände aus. »Okay, ich muss jetzt los. Wir sehen uns.«
»Bis dann.« Ich beobachtete, wie der Bildschirm dunkel wurde, und Ortega kam von der Wand zurück. »Hast du das gehört?«
»Ja. Eigentlich sollte ich diesen Vormittag die Speicherdisks des Hendrix durchsehen. Murawa möchte wahrscheinlich wissen, warum ich sie überhaupt von der Fell Street mitgenommen habe?«
»Es ist doch dein Fall.«
»Sicher, aber es gibt Regeln.« Ortega wirkte plötzlich sehr müde. »Ich kann meine Kollegen nicht mehr allzu lange hinhalten. Ich ernte bereits verwunderte Blicke, weil ich mit dir zusammenarbeite. Schon bald wird irgendjemand ziemlich misstrauisch werden. Ich kann dir ein paar Tage geben, um den Schwindel für Bancroft zu fabrizieren, aber danach…«
Sie hob vielsagend die Hände.
»Kannst du nicht sagen, dass du aufgehalten wurdest? Dass Kadmin dir die Disks weggenommen hat?«
»Wenn sie mich polygrafieren…«
»Aber nicht sofort.«
»Kovacs, es ist schließlich meine Karriere, die hier den Bach runtergeht, nicht deine. Ich mache diesen Job nicht aus Spaß, ich bin schon…«
»Kristin, hör mir zu.« Ich ging zu ihr hinüber und hielt ihre Hände fest. »Willst du Ryker zurückhaben oder nicht?«
Sie wollte sich von mir abwenden, aber ich ließ sie nicht los.
»Kristin. Glaubst du, dass er hereingelegt wurde?«
Sie schluckte. »Ja.«
»Warum kannst du dann nicht daran glauben, dass es Kawahara war? Der Kreuzer, den er in Seattle abschießen wollte, flog aufs Meer hinaus, bevor er abstürzte. Du kannst den Kurs extrapolieren. Du kannst die Stelle einzeichnen, wo Mary Lou Hinchley von der Küstenwache aus dem Wasser gefischt wurde. Dann trägst du den Standort des Siebenten Himmels ein und schaust einfach, ob sich daraus etwas Brauchbares ergibt.«
Ortega wandte sich von mir ab. In ihren Augen war ein merkwürdiger Blick.
»Du wünschst dir, dass es wahr ist, oder?«, sagte sie. »Du möchtest nur einen Grund haben, Kawahara das Handwerk legen zu können. Hier geht es nur um deinen Hass, nicht wahr? Es ist eine alte Rechnung, die du begleichen willst. Ryker ist dir egal. Es interessiert dich nicht einmal, ob deine Freundin Sarah…«
»Sag das noch einmal«, erwiderte ich eiskalt, »und ich mach dich fertig. Zu deiner Information: Nichts von allem, worüber wir eben gesprochen haben, bedeutet mir mehr als Sarahs Leben. Und nichts von dem bedeutet, dass ich eine andere Möglichkeit habe als die, genau das zu tun, was Kawahara will.«
»Und worum geht es?«
Ich hätte sie gerne berührt. Aber ich verwandelte mein Verlangen in eine Ersatzgeste, indem ich mit beiden Händen durch die Luft schnitt.
»Ich weiß es nicht. Noch nicht. Aber wenn ich Sarah herausholen kann, finde ich vielleicht auch eine Möglichkeit, anschließend Kawahara zu erledigen. Und vielleicht kann ich sogar Ryker eine weiße Weste verschaffen. Das ist alles, was ich damit sagen will.«
Sie starrte mich eine Weile an, dann drehte sie sich um und nahm ihre Jacke vom Stuhl.
»Ich bin dann für eine Weile weg«, sagte sie leise.
»Gut.« Ich blieb genauso ruhig. Jetzt war nicht der richtige Augenblick, um Druck auszuüben. »Ich werde hier sein oder dir eine Nachricht hinterlassen, falls ich etwas zu erledigen habe.«
»Ja, tu das.«
Ihrer Stimme war nicht anzuhören, ob sie wirklich zurückkommen wollte oder nicht.
Nachdem sie gegangen war, dachte ich noch eine Zeit lang nach und versuchte, einen klareren Eindruck des Bildes zu erlangen, das meine Envoy-Intuition mir vermittelt hatte. Als das Telefon wieder klingelte, hatte ich es offenbar aufgegeben, denn das Signal erwischte
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