Das Unsterblichkeitsprogramm
erwartungsvoller Geste.
»Komm her, du Scheißkerl!« Die Worte kamen krächzend aus meinem wunden Mund. »Mach mich fertig!«
Ich hatte kaum das letzte Wort ausgesprochen, als er auch schon bei mir war. Diesmal berührte ich ihn kaum. Das meiste spielte sich unterhalb der Ebene des bewussten Kampfes ab. Das Neurachem wehrte die Schlagabfolge tapfer ab, hielt mir die Stahlknöchel vom Leib und gab mir den Freiraum für ein paar zufällig generierte Gegenschläge, von denen mein Envoy-Instinkt glaubte, dass sie Kadmins Kampfmuster durchdringen könnten. Er blockierte meine Angriffe, als wäre ich nicht mehr als ein lästiges Insekt.
Bei meiner letzten erfolglosen Riposte ging der Hieb etwas zu weit, sodass er mein Handgelenk packen und mich nach vorn reißen konnte. Ein perfekt ausgewogener Schwinger traf meinen Brustkorb, und ich spürte, wie meine Rippen brachen. Kadmin zerrte noch einmal, kugelte mir den Ellbogen aus, und in der Neurachem-Zeitlupe sah ich, wie sein folgender Unterarmschlag genau auf das Gelenk zielte. Ich wusste, wie es sich anhören würde, wenn der Ellbogen zerplatzte, ich wusste, welchen Laut ich von mir geben würde, bevor das Neurachem reagierte und den Schmerz unterdrückte. Meine Hand drehte sich verzweifelt in Kadmins Griff, und ich ließ mich fallen. Mein schweißfeuchtes Handgelenk entglitt ihm, und ich kam frei. Kadmins Schlag traf mich mit brutaler Gewalt, aber der Arm hielt ihn aus. Außerdem war ich zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon auf dem Weg nach unten.
Ich landete auf den gebrochenen Rippen, und mein Sichtfeld zersplitterte in tausend Scherben. Ich wand mich, kämpfte gegen das Bedürfnis, mich zu einer schützenden Kugel zusammenzurollen, und sah Kadmins geborgtes Gesicht etwa tausend Meter über mir.
»Steh auf!«, sagte er. Es klang, als würden in der Ferne riesige Stücke Pappe zerrissen. »Wir sind noch nicht fertig.«
Ich kam aus der Hüfte hoch und zielte auf seine Hoden. Der Schlag ging daneben und verpuffte an seinen Oberschenkelmuskeln. Fast beiläufig holte er mit dem Arm aus und rammte mir die Stahlknöchel ins Gesicht. Ich sah ein Gekritzel aus buntem Licht, dann wurde alles weiß. Der Lärm der Menge schwappte durch meinen Kopf, und dahinter glaubte ich zu hören, wie mich der Mahlstrom rief. Alles wurde abwechselnd scharf und unscharf, es wirbelte und drehte sich wie bei einem Gravsprung, während das Neurachem sich bemühte, mich bei Bewusstsein zu halten. Die Lampen sausten nach unten und wichen wieder zur Decke zurück, als wollten sie nachsehen, wie es um mich stand, jedoch ohne allzu intensives Interesse. Mein Bewusstsein kreiste in einem weiten elliptischen Orbit um meinen Kopf. Plötzlich war ich wieder auf Sharya, wo ich mich zusammen mit Jimmy de Soto im zerstörten Spinnenpanzer verkrochen hatte.
»Die Erde?« Sein grinsendes, schwarz verschmiertes Gesicht blitzt immer wieder im Schein des Laserfeuers außerhalb des Panzers auf. »Die Erde ist ein Haufen Scheiße. Die Gesellschaft ist erstarrt und ein halbes Jahrtausend zurückgefallen. Da passiert nichts mehr, historische Ereignisse sind amtlich verboten.«
»Blödsinn.« Mein Widerspruch wird vom schrillen Kreischen einer fallenden Plünderbombe unterstrichen. Unsere Blicke treffen sich im Zwielicht des Panzercockpits. Der Bombenangriff läuft nun schon seit Anbruch der Nacht. Die Roboterwaffen spüren ihre Gegner mit Infrarot und Bewegungssensoren auf. In einer der seltenen Unterbrechungen des sharyanischen Angriffs haben wir gehört, dass Admiral Cursitors IP-Flotte immer noch ein paar Lichtsekunden entfernt steht und mit den Sharyanern um die orbitale Vorherrschaft kämpft. Wenn die Schlacht im Morgengrauen immer noch nicht vorbei ist, werden sie vermutlich Bodentruppen absetzen, um uns auszuradieren. Unsere Chancen stehen nicht besonders gut.
Irgendwann lässt die Wirkung des Betathanatins nach. Ich spüre, dass meine Körpertemperatur allmählich wieder normale Werte annimmt. Die Luft fühlt sich nicht mehr wie heiße Suppe an, und das Atmen fällt uns nicht mehr so schwer wie zuvor, als unsere Herzschlagfrequenz fast auf null abgesunken war.
Die Roboterbombe detoniert, und die Beine des Panzers schlagen in der Druckwelle gegen die Hülle. Instinktiv blicken wir gleichzeitig auf unsere Radiometer.
»Blödsinn, sagst du?« Jimmy lugt durch das gezackte Loch, das wir in den Rumpf des Spinnenpanzers geschossen haben. »Mann, du bist überhaupt nicht von da! Aber ich, und ich sage dir, wenn
Weitere Kostenlose Bücher