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Das Unsterblichkeitsprogramm

Das Unsterblichkeitsprogramm

Titel: Das Unsterblichkeitsprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
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diesem Ding?«
    »Etwa eine Stunde.«
    Sie sah zu den leeren Tanks hinüber. »Hast du etwas Interessantes beobachtet?«
    »Ich denke nach.«
    »Oh.« Wieder hielt sie inne. »Weißt du, dieses verdammte Lethinol ist schlimmer als eine Betäubungspistole. Wenn man betäubt wurde, weiß man wenigstens, dass man angeschlagen ist. Aber mit Lethinol hat man das Gefühl, dass alles bestens ist, egal, was man durchgemacht hat, also kann man ganz entspannt weitermachen. Und dann stolpert man über das erste fünf Zentimeter dicke Kabel, das einem im Weg liegt.«
    »Ich schätze, du hättest noch nicht aufstehen sollen«, sagte ich behutsam.
    »Ja, klar, wahrscheinlich genauso wie du. Bis morgen dürften sich ein paar hübsche blaue Flecken in deinem Gesicht entwickelt haben. Hat Mercer dir etwas gegen die Schmerzen gegeben?«
    »Hab ich nicht gebraucht.«
    »Stimmt, du bist ja ein knallharter Typ. Hatten wir uns nicht darauf geeinigt, dass du vorsichtig mit dem Sleeve umgehen wolltest?«
    Ich lächelte. »Du hättest den anderen sehen sollen.«
    »Ich habe den anderen gesehen. Scheinst ihn mit bloßen Händen auseinander gerissen zu haben, wie?«
    »Wo ist Trepp?«
    »Deine knallharte Freundin? Weg. Hat zu Bautista irgendwas von Interessenskonflikt gefaselt und ist in die Nacht verschwunden. Bautista rauft sich die Haare und sucht verzweifelt nach einer Idee, wie sich dieses Chaos vertuschen lässt. Willst du mitkommen und mit ihm reden?«
    »Na gut.« Ich raffte mich unwillig auf. Das grüne Licht aus den Dekantierungstanks hatte etwas Hypnotisches, und unter meiner Taubheit kreisten rastlos neue Ideen, die sich wie Flaschenrücken in einer Jagdspirale gegenseitig verfolgten. Kadmins Tod hatte in mir keineswegs Erleichterung hinterlassen, sondern lediglich zum langsamen Durchbrennen einer Sicherung geführt, die destruktive Triebe in meiner Magengrube zurückhielt. Jemand würde für all das bezahlen.
    Nimm es persönlich.
    Aber das hier war nicht nur persönlich, sondern viel schlimmer. Hier ging es um Louise alias Anenome, die aufgeschlitzt auf einem OP-Tisch lag; hier ging es um Elizabeth Elliott, die erstochen wurde und zu arm war, um sich resleeven zu lassen; hier ging es um Irene Elliott, die um einen Körper trauerte, den eine Firmenrepräsentantin jeden zweiten Monat trug; hier ging es um Victor Elliott, der zwischen dem Verlust und der Rückkehr einer Frau hin und her gerissen war, die seine Frau und nicht seine Frau war. Es ging um einen jungen Schwarzen, der seiner Familie in einem heruntergekommenen weißen Körper mittleren Alters gegenübertrat; es ging um Virginia Vidaura, die voller Verachtung mit hoch erhobenem Kopf in die Einlagerung ging und eine letzte Zigarette rauchte, mit der sie ein Lungenpaar vergiftete, das sie verlieren würde und zweifellos an einen anderen Konzernvampir weitergegeben wurde. Es ging um Jimmy de Soto, der sich im Matsch und Feuer auf Innenin ein Auge herausriss, und um seine Millionen Kollegen im ganzen Protektorat, schmerzhafte Ansammlungen von individuellem menschlichem Potenzial, das auf den Misthaufen der Geschichte gepinkelt wurde. Für all diese Menschen und noch viel mehr würde jemand bezahlen müssen.
    Mir war leicht schwindlig, als ich vom Gabelstapler stieg und dann Ortega nach unten half. Mir schmerzten die Arme, als ich ihr Gewicht trug, aber das war nichts gegen das plötzliche, alles gefrierende Bewusstsein, dass dies unsere letzten gemeinsamen Stunden waren. Ich wusste nicht, woher diese Erkenntnis kam, aber sie kam mit der Empfindung, dass sie im soliden Grundgestein meines Geistes verankert war – einer Empfindung, der ich schon seit langem mehr als meinen rationalen Überlegungen zu vertrauen gelernt hatte. Wir verließen die Resleevingkammer Hand in Hand, doch keiner von uns beiden registrierte es bewusst. Erst als wir draußen im Korridor Bautista gegenüberstanden, ließen wir instinktiv wieder los.
    »Hab schon nach Ihnen gesucht, Kovacs.« Bautista war nicht anzumerken, ob er irgendetwas über das Händchenhalten dachte. »Ihre Söldnerfreundin ist abgehauen und hat uns die Aufräumarbeiten überlassen.«
    »Ja, Krist…« Ich verstummte und deutete auf Ortega. »Ich habe davon gehört. Hat sie das Frag-Gewehr mitgenommen?«
    Bautista nickte.
    »Damit hätten Sie die perfekte Geschichte. Jemand meldete Ihnen, dass auf der Panama Rose geschossen wird, und Sie platzten mitten in ein Massaker am Publikum. Kadmin und Carnage sind tot, Ortega und ich nicht

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