Das Unsterblichkeitsprogramm
ich die Wahl hätte, entweder auf der Erde zu leben oder mich einlagern zu lassen, müsste ich erst mal gründlich nachdenken. Wenn du die Gelegenheit zu einem Besuch hast, lehn sie ab!«
Ich blinzelte die Störung weg. Über mir glitzerte im Gravfeld das tödliche Messer wie Sonnenlicht, das durch Bäume fiel. Jimmy verblasste und wich am Messer vorbei zum Dach zurück.
»Hab ich dir nicht gesagt, dass du wegbleiben sollst? Jetzt hast du den Ärger. Auf der Erde. « Er spuckte aus und verschwand, bis nur noch das Echo seiner Worte übrig war. »Ein Haufen Scheiße. Zeit für einen Szenenwechsel.«
Der Lärm der Menge war zu einem stetigen Chor verebbt.
Meine Wut schnitt wie ein glühender Draht durch den Nebel in meinem Kopf. Ich stemmte mich auf einem Ellbogen hoch und konzentrierte mich auf Kadmin, der auf der anderen Seite des Rings wartete. Er sah mich an und grüßte mich mit erhobener Hand, genauso wie ich es zuvor getan hatte. Die Menge brach in tosendes Gelächter aus.
Zeit für einen Szenenwechsel.
Ich sprang auf.
Wenn du deine Aufgaben nicht erfüllst, kommt eines Nachts der Patchwork-Mann, um dich zu holen.
Die Stimme sprang mir in den Kopf – eine Stimme, die ich seit fast anderthalb Jahrhunderten Objektivzeit nicht mehr gehört hatte. Die Stimme eines Mannes, mit dem ich mein Gedächtnis fast mein gesamtes erwachsenes Leben lang nicht beschmutzt hatte. Mein Vater. Und seine reizenden Gutenachtgeschichten. Es sah ihm ähnlich, dass er sich ausgerechnet jetzt meldete, wo ich diesen Mist am wenigsten gebrauchen konnte.
Dann kommt der Patchwork-Mann, um dich zu holen.
Ich glaube, du hast da was falsch verstanden, Vater. Der Patchwork-Mann steht da drüben und wartet. Er kommt nicht, um mich zu holen. Ich muss jetzt losgehen, damit ich ihn mir holen kann. Trotzdem danke schön, Vater. Danke für alles.
Ich sammelte die Energie, die noch in Rykers Körperzellen vorhanden war, und stapfte los.
Glas zersplitterte über dem Kampfring. Die Scherben regneten auf die freie Fläche zwischen Kadmin und mir.
»Kadmin!«
Ich sah, wie er zur Galerie hinaufblickte, und dann schien seine Brust zu explodieren. Er riss den Kopf und die Arme zurück, als hätte er durch einen plötzlichen Stoß das Gleichgewicht verloren, und eine Detonation hallte durch den Frachtraum. Die Vorderseite seines Gi wurde aufgerissen, und wie durch Zauberhand öffnete sich ein Loch, das von der Kehle bis zu den Hüften reichte. Ein Blutschwall stürzte schlängelnd zu Boden.
Ich wirbelte herum, blickte nach oben und sah Trepp im Rahmen des Galeriefensters, das sie soeben zerstört hatte. Ihr Kopf schmiegte sich immer noch an den Lauf des Frag-Gewehrs, das sie in den Armen hielt. Die Mündung blitzte auf, als sie das Feuer fortsetzte. Verwirrt fuhr ich herum und suchte nach Zielen, aber der Kampfplatz war bis auf Kadmins Überreste leer. Carnage war nirgendwo zu sehen, und zwischen den Explosionen war aus dem Lärm der Zuschauer unvermittelt das Geschrei von Menschen in Panik geworden. Alle schienen auf den Beinen zu sein und wollten verschwinden. Dann begriff ich. Trepp feuerte ins Publikum.
Auf dem Boden der Halle fauchte eine Energiewaffe, und jemand schrie. Ich drehte mich um, aber meine Bewegung fiel diesmal wesentlich langsamer und schwerfälliger aus. Carnage brannte.
Dahinter stand Rodrigo Bautista in der Tür und schickte mit einem langläufigen Blaster einen breiten Strahl aus Feuer in die Frachtzelle. Carnage stand von den Hüften aufwärts in Flammen und schlug mit Armen um sich, die zu brennenden Flügeln geworden waren. Das Geschrei, das er ausstieß, klang eher nach rasender Wut als nach Schmerz. Pernilla Grip lag tot zu seinen Füßen, mit verbrannter Brust. Dann fiel Carnage vornüber auf sie, wie eine Figur aus schmelzendem Wachs. Seine Schreie reduzierten sich zu einem Stöhnen, das in ein elektronisches Blubbern überging und schließlich ganz aufhörte.
»Kovacs?«
Trepps Frag-Gewehr war verstummt, und vor dem nun wieder hörbaren Hintergrund der Klagelaute der Verletzten wirkte Bautistas Stimme unnatürlich laut. Er machte einen Bogen um den brennenden Synth und stieg in den Ring hinauf. Sein Gesicht war blutverschmiert.
»Alles in Ordnung, Kovacs?«
Ich kicherte leise, dann hielt ich mir die Seite, als ich dort plötzlich heftige Schmerzen verspürte.
»Bestens, alles bestens. Wie geht es Ortega?«
»Den Umständen entsprechend gut. Sie wurde gegen den Schock mit Lethinol voll gepumpt. Tschuldigung,
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