Das Unsterblichkeitsprogramm
ganz. Es scheint jemand gewesen zu sein, den Carnage sich zum Feind gemacht hat.«
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Ortega den Kopf schüttelte.
»Damit kommen wir nicht durch«, sagte Bautista. »Sämtliche Anrufe in der Fell Street werden aufgezeichnet. Das Gleiche gilt für die Telefone in den Kreuzern.«
Ich zuckte die Achseln und spürte, wie der Envoy in mir erwachte. »Na und? Sie oder Ortega haben Informanten hier in Richmond. Leute, deren Namen Sie nicht offenbaren können. Der Anruf kam über ein privates Telefon herein, das zufällig zerstört wurde, als Sie sich einen Weg durch die Reste von Carnages Sicherheitswachen schießen mussten. Keine Spuren. Und nichts in den Aufzeichnungen, weil der geheimnisvolle Unbekannte, der für die Schießerei verantwortlich ist, das gesamte automatische Überwachungssystem lahm gelegt hat. Das lässt sich arrangieren.«
Bautista sah mich zweifelnd an. »Das kann ich mir vorstellen. Dazu bräuchten wir eine Datenratte. Davidson ist darin sehr gut, aber nicht so gut.«
»Ich kann Ihnen eine Datenratte beschaffen. Sonst noch etwas?«
»Ein paar Zuschauer sind noch am Leben. Sie sind zwar nicht in der Lage, etwas anzustellen, aber sie atmen noch.«
»Die können Sie vergessen. Wenn sie etwas gesehen haben, dann Trepp. Wahrscheinlich nicht einmal das, wenigstens nicht allzu deutlich. Die Sache war innerhalb weniger Sekunden vorbei. Wir müssen uns nur darauf einigen, wann wir die Fleischer kommen lassen.«
»Damit sollten wir nicht allzu lange warten«, sagte Ortega. »Sonst könnte es verdächtig aussehen.«
Bautista schnaufte. »Diese ganze Scheiße sieht verdächtig aus.
Irgendjemand in der Fell Street wird mitkriegen, was heute Abend hier los war.«
»So etwas machen Sie öfter, nicht wahr?«
»Das ist nicht witzig, Kovacs. Carnage ist zu weit gegangen. Er wusste, was er sich aufgehalst hat.«
»Carnage«, murmelte Ortega. »Dieses Arschloch hat sich irgendwo selbst eingelagert. Sobald er einen neuen Sleeve hat, wird er nach einer gründlichen Untersuchung schreien.«
»Nicht unbedingt«, sagte Bautista. »Was schätzen Sie, wie lange es her ist, seit er sich in diesen Synth hat kopieren lassen?«
Ortega hob die Schultern. »Wer weiß? Er hat ihn schon letzte Woche getragen. Also mindestens seit diesem Zeitpunkt, falls er kein Update der eingelagerten Kopie gemacht hat. Aber das wäre verdammt kostspielig.«
»Wenn ich jemand wie Carnage wäre«, sagte ich nachdenklich, »würde ich mich jedes Mal updaten lassen, wenn irgendetwas Wichtiges geschieht. Ganz gleich, wie viel es kostet. Ich hätte keine Lust, irgendwann aufzuwachen und nicht zu wissen, was ich in der Woche vor meinem Tod gemacht habe.«
»Das hängt davon ab, was Sie gemacht haben«, warf Bautista ein. »Wenn es etwas sehr Illegales war, würden Sie es vielleicht vorziehen, nach dem Aufwachen nichts davon zu wissen. Auf diese Weise könnten Sie jeden polygrafischen Test bei der Polizei mit einem Lächeln hinter sich bringen.«
»Noch besser, Sie würden nicht einmal…«
Ich verstummte und dachte über diesen Punkt nach. Bautista gestikulierte ungeduldig.
»Wie auch immer. Wenn Carnage ahnungslos aufwacht, stellt er vielleicht ein paar private Erkundigungen an, aber er dürfte es nicht besonders eilig haben, die Polizei auf die Angelegenheit zu hetzen. Und wenn er aufwacht und über alles Bescheid weiß«, sagte er und breitete die Hände aus, »wird er leiser als ein katholischer Orgasmus sein. Ich glaube, wir sind im grünen Bereich.«
»Dann rufen Sie die Ambulanz. Und vielleicht auch Murawa, damit er…« Aber ich hatte Ortegas Stimme bereits ausgeblendet, als sich plötzlich das letzte Puzzleteil an die richtige Stelle schob.
Das Gespräch zwischen den beiden Polizisten war so fern wie das statische Rauschen der Sterne im Komlink eines Raumanzugs. Ich starrte auf eine winzige Delle in der Metallwand neben mir, und bombardierte die Idee mit sämtlichen logischen Tests, die mir einfielen.
Bautista warf mir einen verwunderten Blick zu und ging los, um die Ambulanz zu holen. Als er verschwunden war, berührte Ortega mich vorsichtig am Arm.
»He, Kovacs. Alles in Ordnung?«
Ich blinzelte.
»Kovacs?«
Ich streckte die Hand aus und berührte die Wand, als wollte ich mich von ihrer Festigkeit überzeugen. Verglichen mit der Gewissheit, die soeben über mich gekommen war, wirkte meine Umgebung mit einem Mal substanzlos.
»Kristin«, sagte ich langsam, »ich muss unbedingt zum Siebenten
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