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Das Unsterblichkeitsprogramm

Das Unsterblichkeitsprogramm

Titel: Das Unsterblichkeitsprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
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scheinen übermäßig darauf bedacht zu sein, einem Fremden gegenüber Ihre eheliche Treue zu beteuern.«
    Sie lachte. Es war ein angenehmer, herzhafter Laut, und ihre Schultern bewegten sich auf und ab, während sie ihn ausstieß. Ein Lachen, dachte ich, an das ich mich gewöhnen könnte.
    »Und Sie drücken sich übermäßig indirekt aus.«
    Ich blickte auf die Karte, die vom Display auf dem Ständer vor mir wiedergegeben wurde. In der linken oberen Ecke war ein Datum verzeichnet, eine Jahreszahl, die vier Jahrhunderte vor meiner Geburt geschrieben worden war. Die Bezeichnungen auf der Karte waren in einer Schrift verfasst, die ich nicht lesen konnte.
    »Wo ich herkomme, wird Direktheit nicht als erstrebenswerte Tugend betrachtet, Mrs. Bancroft.«
    »Nein? Was gilt stattdessen als erstrebenswert?«
    Ich zuckte die Achseln. »Höflichkeit. Selbstbeherrschung. Die Vermeidung peinlicher Situationen für alle Beteiligten.«
    »Klingt langweilig. Ich glaube, Sie werden hier den einen oder anderen Schock erleben, Mr. Kovacs.«
    »Ich habe nicht behauptet, dass ich dort, wo ich herkomme, ein vorbildlicher Bürger war, Mrs. Bancroft.«
    »Oh.« Sie stieß sich vom Regal ab und kam auf mich zu.
    »Ja, Laurens hat mir ein wenig über Sie erzählt. Wie es scheint, galten Sie auf Harlans Welt als gefährlicher Mann.«
    Wieder zuckte ich die Achseln.
    »Russisch.«
    »Wie bitte?«
    »Die Schrift.« Sie ging um den Ständer herum, trat an meine Seite und blickte auf die Karte. »Das ist eine russische computergenerierte Karte der Landeplätze auf dem Mond. Sehr selten. Ich habe sie bei einer Auktion ersteigert. Gefällt sie Ihnen?«
    »Hübsch. Ja. Um welche Uhrzeit sind Sie zu Bett gegangen, in der Nacht, als Ihr Ehemann erschossen wurde?«
    Sie starrte mich an. »Früh. Wie ich schon sagte, ich war allein.« Sie verdrängte den schneidenden Tonfall aus ihrer Stimme, die anschließend fast wieder unbeschwert klang. »Und falls das nach Schuld klingt, Mr. Kovacs, das ist es nicht. Es ist Resignation. Gewürzt mit einer Prise Verbitterung.«
    »Sie empfinden Verbitterung für Ihren Ehemann?«
    Sie lächelte. »Ich glaube, ich sprach von Resignation.«
    »Sie sprachen von beidem.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass Sie glauben, ich hätte meinen Mann ermordet?«
    »Noch glaube ich gar nichts. Aber es ist eine Möglichkeit.«
    »Tatsächlich?«
    »Sie hatten Zugang zum Safe. Sie befanden sich innerhalb der Sicherheitsbarrieren des Hauses, als es passierte. Und nun gewinne ich den Eindruck, dass Sie vielleicht ein emotionales Motiv haben.«
    Immer noch lächelnd sagte sie: »Gefällt Ihnen diese Vorstellung, Mr. Kovacs?«
    Ich erwiderte ihren Blick. »Die Frage ist, ob Sie Gefallen daran finden.«
    »Die Polizei verfolgte eine Zeit lang eine ähnliche Theorie. Dann gelangte man zu der Ansicht, dass keine Leidenschaft im Spiel ist. Es wäre mir lieber, wenn Sie hier drinnen nicht rauchen würden.«
    Ich sah auf meine Hände und stellte fest, dass sie ohne mein bewusstes Dazutun die Zigaretten hervorgeholt hatten, die Kristin Ortega mir gegeben hatte. Ich war gerade dabei gewesen, eine aus der Schachtel zu klopfen. Die Nerven. Ich fühlte mich auf seltsame Weise von meinem neuen Sleeve verraten und steckte die Packung wieder ein.
    »Tut mir Leid.«
    »Keine Ursache. Es ist wegen des Raumklimas. Viele der Karten hier sind sehr empfindlich gegenüber Luftverschmutzung. Das konnten Sie nicht wissen.«
    Irgendwie gelang es ihr, die Bemerkung so fallen zu lassen, als ob sie mir bedeuten wollte, dass selbst ein Volltrottel von selbst darauf hätte kommen müssen. Ich hatte das Gefühl, dass mir allmählich die Kontrolle über das Gespräch entglitt.
    »Wie kommt die Polizei darauf…«
    »Fragen Sie das die Polizei.« Sie wandte mir den Rücken zu und entfernte sich von mir, als wollte sie eine Entscheidung treffen. »Wie alt sind Sie, Mr. Kovacs?«
    »Subjektiv? Einundvierzig. Die Jahre auf Harlans Welt sind ein wenig länger als hier, aber das spielt kaum eine Rolle.«
    »Und objektiv?«, fragte sie und ahmte dabei meinen Tonfall nach.
    »Ich habe ungefähr ein Jahrhundert im Tank verbracht. Dadurch verliert man ein wenig den Überblick.« Das war eine Lüge. Ich wusste bis auf den Tag genau, wie lange jede Einlagerung gedauert hatte. Ich hatte es mir eines nachts ausgerechnet, und nun hatte ich die Zahl im Kopf. Mit jedem neuen Urteil addierte ich die Zeit dazu.
    »Wie einsam Sie inzwischen sein müssen…«
    Ich seufzte und betrachtete

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