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Das Unsterblichkeitsprogramm

Das Unsterblichkeitsprogramm

Titel: Das Unsterblichkeitsprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
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hatte, was ein Assessor einer marinen Entwicklungsgesellschaft war. Und ich bemerkte, dass Mrs. Bancrofts Anspannung nachzulassen schien.
    »Also eine Routinesache?«
    »Ja, ich denke schon.« Sie sah mich mit einem müden Lächeln an. »Mr. Kovacs, ich bin überzeugt, dass die Polizei Unterlagen hat, in denen sich diese Art von Informationen finden.«
    »Davon bin ich ebenfalls überzeugt, Mrs. Bancroft. Aber es gibt keinen Grund, warum die Polizei mir Einblick in diese Unterlagen gewähren sollte. Ich besitze hier keinerlei Jurisdiktion.«
    »Zumindest scheinen Sie sich gut mit der Polizei verstanden zu haben, als Sie hier eingetroffen sind.« Plötzlich war eine boshafte Spitze in ihrer Stimme. Ich sah sie unverwandt an, bis sie den Blick senkte. »Aber ich glaube, dass Laurens Ihnen alles beschaffen kann, was Sie benötigen.«
    So kamen wir nicht weiter. Also zog ich mich zurück.
    »Vielleicht sollte ich mit ihm darüber reden«, sagte ich und sah mich im Kartenraum um. »Wie lange sammeln Sie diese Karten schon?«
    Mrs. Bancroft schien zu spüren, dass sich die Befragung dem Ende zuneigte, denn mit einem Mal wich die Anspannung von ihr, wie Öl, das aus einem Riss sickerte.
    »Fast mein ganzes Leben lang«, sagte sie. »Während Laurens auf die Sterne starrte, musste jemand von uns den Blick auf den Boden richten.«
    Ich dachte an das vernachlässigte Teleskop auf Bancrofts Balkon. Ich sah es verloren in sperriger Silhouette vor dem Nachthimmel, ein stummer Zeuge vergangener Zeiten und Leidenschaften und ein Relikt, an dem niemand mehr interessiert war. Ich erinnerte mich daran, wie es sich surrend wieder in die Ausgangsposition gebracht hatte, nachdem ich dagegen gestoßen war, getreu einer Programmierung, die vielleicht Jahrhunderte alt war, für einen kurzen Moment aus dem Schlaf gerissen, ähnlich wie die Singzinne, die Miriam Bancroft im Korridor geweckt hatte.
    Alt.
    Mit einem Mal lastete es erstickend auf mir, es kam von überall, der Gestank, den die Steine des Hauses wie Feuchtigkeit ausdünsteten. Alter. Ich roch es sogar an der widersinnig jungen und hübschen Frau, die vor mir stand, und meine Kehle verschloss sich mit einem winzigen Schnapplaut. Etwas in mir wollte davonlaufen, nach draußen rennen und frische, unverbrauchte Luft atmen. Ich wollte diesen Kreaturen entfliehen, deren Erinnerungen weiter zurückreichten als sämtliche historischen Ereignisse, die ich in der Schule gelernt hatte.
    »Alles in Ordnung, Mr. Kovacs?«
    Die Folgen des Downloads.
    Ich riss mich zusammen. »Ja, alles klar.« Ich räusperte mich und blickte ihr in die Augen. »Ich möchte Sie nicht länger aufhalten, Mrs. Bancroft. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben.«
    Sie trat auf mich zu. »Möchten Sie, dass ich…«
    »Nein, alles in Ordnung. Ich finde allein hinaus.«
    Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis ich den Kartenraum verlassen hatte, und meine Schritte erzeugten ein seltsames Echo in meinem Schädel. Die ganze Zeit und mit jeder Karte, an der ich vorbeikam, spürte ich den Blick dieser uralten Augen auf meinem Rückgrat.
    Ich brauchte dringend eine Zigarette.

 
5
     
     
    Der Himmel hatte die Textur von altem Silber, und in ganz Bay City gingen die Lichter an, als Bancrofts Chauffeur mich in die Stadt brachte. Wir kamen vom Meer und überflogen eine uralte rostfarbene Hängebrücke, bis wir mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit über den dicht gedrängten Gebäuden auf einer hügeligen Halbinsel niedergingen. Der Chauffeur Curtis kochte immer noch wegen der Festnahme durch die Polizei. Er war erst wenige Stunden zuvor entlassen worden, als Bancroft ihn bat, mich zurückzubringen, und während des ganzen Fluges verhielt er sich mürrisch und unkommunikativ. Er war ein kräftig gebauter junger Mann, dessen gutes Aussehen auf hervorragendes genetisches Material hinwies. Ich vermutete, dass die Angestellten von Laurens Bancroft es nicht gewohnt waren, bei der Ausübung ihrer Pflichten von Beamten gestört zu werden.
    Ich beklagte mich nicht. Meine Stimmung unterschied sich nicht sehr von der des Chauffeurs. Immer wieder gingen mir Bilder von Sarahs Tod durch den Kopf. Es war erst gestern Abend geschehen. Aus subjektiver Sicht.
    Wir bremsten am Himmel über einer breiten Verkehrsstraße ab, so abrupt, dass jemand über uns wütend eine quäkende Ermahnung ans Komset der Limousine sendete. Curtis unterbrach das Signal, indem er heftig mit der Hand auf die Konsole schlug, und warf einen

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