Das Unsterblichkeitsprogramm
Verständnis für die Notwendigkeit eines solchen Vorgehens.«
»Ja, natürlich. Was immer Sie für notwendig erachten. Ich vertraue Ihrem Urteilsvermögen.« Bancroft stellte wieder den Blickkontakt zu mir her. »Aber vergessen Sie nicht die Bedingungen unserer Vereinbarung. Ich bezahle Sie für eine Dienstleistung. Ich reagiere unangenehm, wenn mein Vertrauen missbraucht wird, Mr. Kovacs.«
»Davon gehe ich aus«, sagte ich erschöpft. Ich erinnerte mich daran, wie Reileen Kawahara mit zwei illoyalen Untergebenen umgegangen war. Ihre tierischen Laute hatte ich danach noch oft in meinen Albträumen gehört. Reileens Begründung, die sie mir vorgetragen hatte, während sie vor dem Hintergrund dieser Schreie einen Apfel geschält hatte, lief darauf hinaus, dass heutzutage, wo niemand mehr wirklich starb, eine Bestrafung nur noch in Form von Qualen möglich war. Ich spürte, wie mein neues Gesicht selbst jetzt noch bei dieser Erinnerung zuckte. »Wenn Sie mich fragen, ist das, was das Corps Ihnen über mich gesagt hat, nicht mehr wert als ein Haufen Scheiße. Auf mein Wort konnte man sich schon immer verlassen.«
Ich stand auf.
»Können Sie mir eine Unterkunft in der Stadt empfehlen? Ruhige Lage, mittlere Reichweite.«
»Ja, so etwas finden Sie in der Mission Street. Ich lasse Sie von einem meiner Leute hinbringen. Curtis, falls er bis dahin wieder auf freiem Fuß ist.« Bancroft erhob sich ebenfalls. »Ich vermute, dass Sie jetzt Miriam befragen möchten. Sie weiß viel mehr als ich über diese letzten achtundvierzig Stunden, also sollten Sie sich ausführlich mit ihr unterhalten.«
Ich dachte an die uralten Augen im pneumatischen Teenagerkörper, und plötzlich widerte mich die Vorstellung an, ein Gespräch mit Miriam Bancroft zu führen. Gleichzeitig zupfte eine eiskalte Hand straff gespannte Saiten in meinem Unterleib, und unvermittelt schoss Blut in meinen Penis. Exzellent.
»Aber ja«, sagte ich ohne Begeisterung. »Das würde ich sehr gern tun.«
4
»Sie scheinen sich unwohl zu fühlen, Mr. Kovacs.«
Ich blickte mich über die Schulter zur Angestellten um, die mich hereingeführt hatte, dann sah ich wieder Miriam Bancroft an. Ihre Körper hatten ungefähr das gleiche Alter.
»Nein«, sagte ich. Meine Stimme klang rauer als beabsichtigt.
Sie verzog kurz die Mundwinkel, dann rollte sie weiter die Karte auf, mit der sie sich beschäftigt hatte, als ich eingetreten war. Hinter mir zog die Angestellte die Tür zum Kartenraum zu. Sie schloss sich mit einem lauten Schnappen. Bancroft hatte es nicht für angebracht gehalten, mich zu seiner Frau zu begleiten. Vielleicht war eine Begegnung pro Tag das Maximum dessen, was sie sich erlaubten. Stattdessen war die Angestellte wie durch einen unsichtbaren Zauber erschienen, als wir den Balkon der Meereslounge verlassen hatten. Bancroft hatte ihr etwa genauso viel Beachtung geschenkt wie zuvor.
Als ich gegangen war, stand er neben dem Spiegelholzschreibtisch und starrte auf die Blasterspur an der Wand.
Mrs. Bancroft rollte die Karte zusammen und schob sie behutsam in eine lange Schutzröhre.
»Nun«, sagte sie, ohne aufzublicken. »Dann stellen Sie jetzt Ihre Fragen.«
»Wo waren Sie, als es geschah?«
»Im Bett.« Diesmal blickte sie zu mir auf. »Bitte verlangen Sie nicht von mir, diese Behauptung bestätigen zu lassen. Ich war allein.«
Der Kartenraum erstreckte sich lang und luftig unter einem gewölbten Dach, das mit Illuminum-Ziegeln gedeckt war. Die Kartenregale waren hüfthoch, jedes wurde von einem verglasten Display gekrönt, und sie standen in Reihen wie Ausstellungsvitrinen in einem Museum. Ich verließ den Mittelgang und brachte ein Regal zwischen Mrs. Bancroft und mich. Es kam mir ein wenig so vor, als würde ich in Deckung gehen.
»Mrs. Bancroft, Sie scheinen von irrtümlichen Voraussetzungen auszugehen. Ich bin nicht von der Polizei. Ich interessiere mich nur für Informationen, nicht für Schuldfragen.«
Sie stellte die aufgerollte Karte ins Regal zurück und lehnte sich dagegen, beide Hände hinter dem Rücken. Sie hatte ihre jugendliche Tenniskleidung abgelegt, während ich mit ihrem Ehemann gesprochen hatte. Nun war sie in eine tadellose schwarze Hose und etwas gehüllt, das der Vereinigung zwischen einer Dinnerjacke und einem Mieder entsprungen zu sein schien. Die Ärmel hatte sie lässig bis zu den Ellbogen hochgeschoben, und an den Handgelenken trug sie keinen Schmuck.
»Sehe ich schuldbewusst aus, Mr. Kovacs?«
»Sie
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