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Das Unsterblichkeitsprogramm

Das Unsterblichkeitsprogramm

Titel: Das Unsterblichkeitsprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
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das nächste Regal. Jede aufgerollte Karte war am oberen Ende etikettiert. Es waren archäologische Daten. Syrtis Minor, 3. Ausgrabung, östliches Viertel. Bradbury, Ruinen der Ureinwohner. Ich zog eine der Rollen heraus.
    »Mrs. Bancroft, meine Gefühle stehen hier nicht zur Debatte. Können Sie sich einen Grund vorstellen, warum Ihr Mann einen Selbstmordversuch begangen haben könnte?«
    Sie wirbelte herum, noch bevor ich zu Ende gesprochen hatte. Ihr Gesicht war vor Wut angespannt.
    »Mein Mann hat keinen Selbstmord begangen«, sagte sie kalt.
    »Dessen scheinen Sie sich sehr sicher zu sein.« Ich blickte von der Karte auf und lächelte. »Dafür, dass Sie geschlafen haben, meine ich.«
    »Stellen Sie das zurück«, fauchte sie mich an und kam auf mich zu. »Sie haben keine Ahnung, wie wertvoll…«
    Sie hielt in ihrem Angriff inne, während ich die Rolle wieder ins Regal schob. Sie schluckte und versuchte ihre geröteten Wangen unter Kontrolle zu bringen.
    »Legen Sie es darauf an, mich wütend zu machen, Mr. Kovacs?«
    »Ich bemühe mich nur um Ihre Aufmerksamkeit.«
    Wir sahen uns ein paar Sekunden lang an. Dann senkte Mrs. Bancroft den Blick.
    »Wie ich schon erwähnte, ich habe geschlafen, als es passierte. Was kann ich Ihnen sonst noch sagen?«
    »Wo ist Ihr Mann in jener Nacht gewesen?«
    Sie biss sich auf die Unterlippe. »Ich weiß es nicht genau. Er hatte am Tag zuvor eine Konferenz in Osaka.«
    »Wo liegt das?«
    Sie sah mich überrascht an.
    »Ich bin nicht von hier«, fügte ich geduldig hinzu.
    »Osaka liegt in Japan. Ich dachte…«
    »Ja, Harlans Welt wurde von einem japanischen keiretsu besiedelt und mit osteuropäischen Arbeitskräften aufgebaut. Das ist lange her. Damals war ich noch nicht dabei.«
    »Tut mir Leid.«
    »Keine Ursache. Sie wissen vermutlich auch nicht allzu viel darüber, was Ihre Vorfahren vor dreihundert Jahren gemacht haben.«
    Ich erstarrte. Mrs. Bancroft bedachte mich mit einem merkwürdigen Blick. Kurz darauf wurde mir klar, was ich gesagt hatte. Die Folgen des Downloads. Ich brauchte dringend Schlaf, sonst würde ich womöglich etwas wirklich Idiotisches sagen oder tun.
    »Ich bin über dreihundert Jahre alt, Mr. Kovacs.« Der Ansatz eines Lächelns spielte um ihre Mundwinkel, als sie das sagte. Sie hatte den Vorteil genauso elegant zurückgewonnen wie ein auftauchender Flaschenrücken. »Der Schein kann trügen. Dies ist mein elfter Körper.«
    Ihre Haltung forderte mich auf, ihn mir anzuschauen. Ich ließ meinen Blick über ihre slawischen Wangenknochen huschen, hinunter zum Dekolletee, zur angewinkelten Hüfte, den halb verhüllten Linien ihrer Schenkel, während ich die ganze Zeit eine Distanziertheit vortäuschte, zu der weder ich noch mein vor kurzem erweckter Sleeve das Recht hatten.
    »Er sieht nett aus. Etwas zu jung für meinen Geschmack, aber wie ich schon sagte, bin ich nicht von hier. Könnten wir jetzt auf Ihren Mann zurückkommen? Er war also während des Tages in Osaka, aber dann ist er zurückgekommen. Ich vermute, er ist nicht körperlich verreist.«
    »Nein, natürlich nicht. Er hat dort einen Transitklon auf Eis liegen. Er sollte um sechs Uhr an jenem Abend zurückkehren, aber…«
    »Ja?«
    Sie veränderte leicht ihre Haltung und zeigte mir eine offene Handfläche. Ich hatte den Eindruck, dass sie sich zur Selbstbeherrschung zwingen musste. »Nun, er kam etwas später zurück. Laurens bleibt häufig länger fort, nachdem er ein Geschäft abgeschlossen hat.«
    »Und niemand weiß, wo er sich in dieser Zeit aufgehalten hat? Auch nicht Curtis?«
    Ihrem Gesicht war die Anspannung immer noch anzusehen, wie verwitterte Steine unter einer dünnen Schneedecke. »Er hat Curtis’ Dienste nicht in Anspruch genommen. Ich vermute, er hat von der Sleeving-Station aus ein Taxi genommen. Ich bin nicht sein Aufseher, Mr. Kovacs.«
    »War das Treffen wichtig? Das in Osaka, meine ich.«
    »Hm… nein, ich glaube nicht. Wir haben darüber gesprochen. Natürlich erinnert er sich nicht, aber wir sind zusammen die Verträge durchgegangen, und der Termin stand schon seit längerer Zeit fest. Eine marine Entwicklungsgesellschaft namens Pacificon, die ihren Sitz in Japan hat. Es ging um Leasing-Verlängerungen und solche Sachen. Normalerweise wird so etwas von Bay City aus geregelt, aber man hatte eine außerordentliche Assessorenversammlung einberufen, und es ist immer besser, solche Angelegenheit möglichst nahe an der Quelle zu regeln.«
    Ich nickte, obwohl ich keine Ahnung

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