Das Unsterblichkeitsprogramm
über den sich Ortega so entrüstet. Bancroft hat alle Beteiligten gekauft. Die Zeugen, die Presse, und am Ende hat sogar Begin selbst Geld genommen. Es kam zu einer außergerichtlichen Einigung. Es war genug für sie, um sich eine Klonversicherung bei Lloyds leisten zu können, womit sie aus dem Spiel war. Zuletzt habe ich gehört, dass sie mit ihren zweiten Sleeve irgendwo in Brasilien lebt. Aber das war vor einem halben Jahrhundert, Kovacs.«
»Waren Sie damals dabei?«
»Nein.« Prescott beugte sich über den Schreibtisch. »Genauso wenig wie Kristin Ortega, was es ziemlich unglaubwürdig macht, wenn sie deswegen herumjammert. O ja, auch ich musste mir den Sermon anhören, als sie den Fall letzten Monat aus dem Archiv gekramt hatte. Sie ist Begin nie persönlich begegnet.«
»Ich denke, für Ortega könnte es eine Frage des Prinzips sein«, sagte ich behutsam. »Geht Bancroft weiterhin regelmäßig zu Prostituierten?«
»Das ist nicht meine Angelegenheit.«
Ich stieß mit einem Finger in das Holodisplay und sah zu, wie sich die bunten Dateien rund um den Störfaktor verzerrten. »Vielleicht sollten Sie es zu Ihrer Angelegenheit machen, Prescott. Schließlich kann sexuelle Eifersucht ein sehr starkes Mordmotiv sein.«
»Darf ich Sie daran erinnern, dass der polygrafische Test negativ ausfiel, als man Miriam Bancroft diese Frage stellte?«, entgegnete Prescott schroff.
»Ich rede nicht von Mrs. Bancroft.« Ich hörte auf, mit dem Display zu spielen, und starrte die Anwältin über den Schreibtisch hinweg an. »Ich rede von all den anderen Millionen verfügbarer Körperöffnungen da draußen und von den Abermillionen Partnern oder Blutsverwandten, denen es vielleicht nicht gefällt, wenn ein Meth darin verkehrt. Darunter könnte es durchaus ein paar Experten für unerlaubtes Eindringen – falls Sie mir das unbeabsichtigte Wortspiel verzeihen – oder den einen oder anderen Psychopathen geben. Irgendwer, der in der Lage ist, in Bancrofts Haus einzubrechen und ihn abzuknallen.«
In der Ferne stieß eine Kuh ein trauriges Muhen aus.
»Was ist, Prescott?« Ich wedelte mit der Hand im Hologramm herum. »Gibt es hier irgendwelche Nachrichten, in denen es heißt: FÜR DAS, WAS DU MEINER FREUNDIN, TOCHTER, SCHWESTER, MUTTER ANGETAN HAST; NICHT ZUTREFFENDES BITTE LÖSCHEN?«
Sie musste mir gar nicht antworten. Ich sah es in ihrem Gesicht.
Während die Sonnenstrahlen schräg über den Schreibtisch fielen und in den Bäumen am Ende der Wiese Vögel zwitscherten, beugte sich Oumou Prescott über die Tastatur der Datenbank und ließ ein neues Rechteck aus rotem holografischem Licht erscheinen. Es erstrahlte und öffnete sich wie die kubistische Darstellung einer Orchidee. Hinter mir gab eine weitere Kuh ihrer Resignation Ausdruck.
Ich setzte das Headset wieder auf.
8
Die Stadt hieß Ember. Ich fand sie auf der Landkarte, etwa zweihundert Kilometer nördlich von Bay City an der Küstenstraße. Gleich daneben war im Meer ein asymmetrisches gelbes Symbol eingezeichnet.
»Die Hüter des Freihandels«, sagte Prescott, die mir über die Schulter sah. »Ein Flugzeugträger. Es war das letzte wirklich große Kriegsschiff, das jemals gebaut wurde. Irgendein Idiot hat es auf Grund gesetzt, irgendwann in der frühen Kolonialzeit. Die Stadt ist in Sichtweite des Wracks erbaut worden, um die Touristen zu beherbergen.«
»Touristen?«
Sie sah mich an. »Es ist ein sehr großes Schiff.«
Ich mietete ein altertümliches Bodenfahrzeug von einem zwielichtig wirkenden Händler zwei Blocks von Prescotts Kanzlei entfernt und fuhr nach Norden über die rostfarbene Hängebrücke. Ich brauchte Zeit zum Nachdenken. Der Küstenhighway war in schlechtem Zustand, aber sehr wenig befahren, sodass ich mich an die gelbe Mittellinie hielt und mit konstanten hundertfünfzig Sachen dahinbrauste. Im Radio tummelte sich ein breites Spektrum von Sendern, deren kulturelle Ansprüche größtenteils mein Verständnis überstiegen. Aber schließlich fand ich einen neomaoistischen DJ, der sich in irgendeinen Übertragungssatelliten eingeklinkt hatte, ohne dass sich jemand die Mühe gemacht hatte, ihn wieder aus dem Verkehr zu ziehen. Die Mischung aus hochpolitischen Ansichten und zuckersüßen Karaokenummern war unwiderstehlich. Der Geruch des Meeres wehte durch das offene Fenster herein, während ich dem gewundenen Verlauf der Straße folgte, und eine Zeit lang vergaß ich das Corps und Innenin und alles, was seitdem geschehen war.
Als
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