Das Urteil
nicht in seinem Büro, sondern unterwegs zu einem wichtigen Kunden.
»Ich habe draußen seinen Wagen gesehen«, sagte Jimmy Hull wütend und deutete auf den kleinen Parkplatz vor der Tür. Und da stand tatsächlich Hoppys alter Kombi.
»Er ist mit jemand anderem gefahren«, sagte sie. Es war offensichtlich eine Lüge.
»Wo ist er hin?« fragte Jimmy Hull, als wäre er imstande, ihm nachzufahren.
»Nach irgendwo in der Nähe von Pass Christian. Mehr weiß ich auch nicht.«
»Weshalb ruft er mich nicht zurück?«
»Ich habe keine Ahnung. Mr. Dupree ist ein vielbeschäftigter Mann.«
Jimmy Hull bohrte beide Hände tief in die Taschen seiner Jeans und funkelte die Frau an. »Sagen Sie ihm, daß ich hier war, daß ich sehr wütend bin und daß er mich besser anrufen sollte. Haben Sie verstanden?«
»Ja, Sir.«
Er verließ das Büro, stieg in seinen Ford Pickup und fuhr davon. Sie wartete, bis die Luft rein war, dann rannte sie nach hinten, um Hoppy aus dem Besenschrank zu befreien.
Das Achtzehn-Meter-Boot mit Kapitän Theo am Ruder fuhr fünfzig Meilen weit in den Golf hinaus, wo die halbe Jury unter einem wolkenlosen Himmel und bei einer sanften Brise Makrelen, Schnappbarsche und Rotlachse angelte. Angel Weese war noch nie auf einem Boot gewesen, konnte nicht schwimmen und wurde zweihundert Meter von der Küste entfernt seekrank, erholte sich aber mit Hilfe eines erfahrenen Matrosen und einer Packung Dramamin und war sogar die erste, die einen halbwegs großen Fisch erwischte. Rikki sah großartig aus mit Shorts, Reeboks und ihren braunen Beinen. Der Colonel und der Kapitän waren offensichtlich verwandte Seelen, und es dauerte nicht lange, bis der Colonel auf der Brücke war, mit dem Kapitän über Marinestrategie diskutierte und sie sich Kriegsgeschichten erzählten.
Zwei Matrosen bereiteten einen vorzüglichen Lunch aus gekochten Garnelen, Sandwiches mit gebratenen Austern, Krebsscheren und einer delikaten Fischsuppe. Zusammen mit dem Lunch wurde die erste Runde Bier serviert. Nur Rikki lehnte ab und trank Wasser.
Mit dem Bier ging es den ganzen Nachmittag hindurch so weiter, während beim Angeln Begeisterung und Langeweile wechselten und die Sonne immer wärmer aufs Deck schien. Das Boot war groß genug, um auch Abgeschiedenheit zu ermöglichen. Nicholas und Jerry sorgten dafür, daß Lonnie Shaver immer ein kaltes Bier in der Hand hatte. Sie waren entschlossen, ihn sich zum erstenmal vorzuknöpfen.
Lonnie hatte einen Onkel, der jahrelang auf einem Garnelenboot gearbeitet hatte, bevor es in einem Sturm gesunken und die gesamte Besatzung mit ihm untergegangen war. Als Kind hatte er mit seinem Onkel in diesen Gewässern geangelt, und er hatte, offen gestanden, die Nase voll davon. Es war ihm zuwider, und er hatte es seit Jahren nicht mehr getan. Immerhin hatte sich der Bootsausflug ein bißchen erträglicher angehört als die Busfahrt nach New Orleans.
Es brauchte vier Bier, um ihm die Kanten abzuschleifen und die Zunge zu lockern. Sie saßen in einer kleinen, nach allen Seiten hin offenen Kabine auf dem Oberdeck. Auf dem Hauptdeck unter ihnen schauten Rikki und Angel den Matrosen beim Säubern ihres Fangs zu.
»Ich frage mich, wieviele Zeugen die Verteidigung aufrufen wird«, sagte Nicholas mit künstlich verzweifelter Stimme, um das Thema vom Angeln abzubringen. Jerry lag auf einer Plastikbank, ohne Schuhe und Socken, mit geschlossenen Augen und einem kalten Bier in der Hand.
»Was mich angeht, braucht sie überhaupt keine aufzurufen«, sagte Lonnie, aufs Meer hinausschauend.
»Sie haben die Nase voll, wie?«, fragte Nicholas.
»Das Ganze ist doch verdammt lächerlich. Da raucht ein Mann fünfunddreißig Jahre lang, und dann wollen seine Erben Millionen, nachdem er sich selbst umgebracht hat.«
»Habe ich es nicht gesagt?« meinte Jerry, ohne die Augen zu öffnen.
»Was?« fragte Lonnie.
»Jerry und ich waren uns sicher, daß Sie auf der Seite der Verteidigung stehen«, erklärte Nicholas. »Aber es war schwierig, weil Sie immer so wenig gesagt haben.«
»Und wo stehen Sie?«
»Ich? Ich habe mich noch nicht entschieden. Jerry neigt eher der Verteidigung zu, stimmt's, Jerry?«
»Ich habe mich mit niemandem über den Fall unterhalten. Ich hatte keinerlei unerlaubte Kontakte. Ich habe keinerlei Bestechungsgelder angenommen. Ich bin ein Geschworener, auf den Richter Harkin stolz sein kann.«
»Er neigt der Verteidigung zu«, sagte Nicholas zu Lonnie. »Weil er süchtig nach Nikotin ist und sich
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