Das Urteil
Die Bekanntschaft wurde vermittelt.
Mangels einer besseren Jobbeschreibung wurde Cleve als Laufbursche bezeichnet. Er lief für Wendall Rohr herum.
Cleves Aufgabe war es, gute, solide Fälle zu finden, bei denen jemand verletzt oder zu Tode gekommen war, und dafür zu sorgen, daß sie ihren Weg in Rohrs Kanzlei fanden. Gutes Laufen war eine Kunstform, und natürlich war Cleve ein vorzüglicher Laufbursche, weil für Rohr nur das Beste gut genug war. Wie alle guten Laufburschen bewegte sich Cleve in zweifelhaften Kreisen, weil das Anlandziehen von Mandanten im Prinzip noch immer eine unethische Praxis war, obwohl jeder Autounfall mehr Laufburschen anzog als Notfallpersonal. Deshalb wies seine Visitenkarte Cleve auch als ›Rechercheur‹ aus.
Cleve lieferte außerdem Papiere für Rohr aus, überbrachte Vorladungen, überprüfte Zeugen und potentielle Geschworene und spionierte anderen Anwälten nach, die üblichen Funktionen eines Laufburschen, wenn er nicht herumlief. Er erhielt ein Gehalt für seine Recherchen, und wenn er einen besonders guten Fall einbrachte, zahlte Rohr ihm eine Prämie in bar.
Er unterhielt sich mit Derrick bei einem Bier in einem Lokal und erkannte rasch, daß der Mann finanzielle Probleme hatte. Dann brachte er das Gespräch auf Angel und fragte, ob ihm schon jemand zuvorgekommen wäre. Nein, sagte Derrick, niemand hatte sich an ihn herangemacht und nach dem Prozeß gefragt. Aber schließlich hatte er, Derrick, bei seinem Bruder gewohnt, war gewissermaßen in Deckung gegangen, um dem gierigen Anwalt seiner Frau zu entkommen.
Gut, sagte Cleve, er wäre von einigen der Anwälte als Berater angeheuert worden, und, nun ja, der Prozeß wäre furchtbar wichtig. Cleve bestellte eine zweite Runde und redete eine Weile darüber, wie verdammt wichtig der Prozeß war.
Derrick war intelligent, hatte ein Jahr Junior College hinter sich, war scharf darauf, ein paar Dollar zu machen, und begriff schnell. »Weshalb kommen Sie nicht zur Sache?« fragte er.
Cleve war bereit, genau das zu tun. »Mein Klient ist willens, für Beeinflussung zu zahlen. In bar. Keinerlei Spur.«
»Beeinflussung«, wiederholte Derrick, dann trank er einen großen Schluck Bier. Das Lächeln auf seinem Gesicht ermutigte Cleve, deutlicher zu werden.
»Fünftausend in bar«, sagte Cleve und schaute sich um. »Die Hälfte gleich, die andere Hälfte, wenn der Prozeß vorbei ist.« Das Lächeln wurde mit einem weiteren Schluck breiter. »Und was soll ich tun?«
»Sie reden mit Angel, wenn Sie sich bei einem Ihrer persönlichen Besuche sehen, und sorgen dafür, daß sie versteht, wie wichtig dieser Fall für die Klageanwälte ist. Aber erzählen Sie ihr nichts von dem Geld oder von mir. Jedenfalls jetzt noch nicht. Vielleicht später.«
»Warum nicht?«
»Weil das kriminell ist. Wenn der Richter davon erfahren sollte, daß ich mit Ihnen gesprochen und Ihnen Geld dafür angeboten habe, daß Sie mit Angel reden, dann kommen wir alle beide ins Gefängnis. Verstanden?«
›Ja.«
»Sie müssen sich unbedingt klar darüber sein, daß das hier eine gefährliche Sache ist. Wenn Sie nicht mitmachen wollen, dann sagen Sie es jetzt gleich.«
»Zehntausend.«
»Was?«
»Zehn. Fünf gleich, fünf, wenn der Prozeß vorbei ist.« Cleve grunzte, als wäre er leicht angewidert. Wenn Derrick nur wüßte, was auf dem Spiel stand. »Okay. Zehn.«
»Wann bekomme ich das Geld?«
»Morgen.« Sie bestellten Sandwiches und unterhielten sich noch eine weitere Stunde über den Prozeß, das Urteil und die beste Methode, Angel zu überreden.
Die Aufgabe, D. Martin Jankle von seinem geliebten Wodka fernzuhalten, fiel Durwood Cable zu. Fitch und Jankle hatten eine heftige Auseinandersetzung darüber gehabt, ob Jankle am Dienstag abend, dem Abend vor seiner Aussage vor Gericht, trinken durfte oder nicht. Fitch, der frühere Trinker, warf Jankle vor, er wäre Alkoholiker. Jankle beschimpfte Fitch wütend, weil er versuchte, ihm, dem Generaldirektor von Pynex, einem Fortune-500-Konzern, vorzuschreiben, ob und wann und wieviel er trinken durfte.
Cable wurde von Fitch in den Streit hineingezogen. Cable bestand darauf, daß Jankle den Abend in seiner Kanzlei verbrachte und sich auf seine Aussage vorbereitete. Auf eine Probevernehmung folgte ein ausführliches Kreuzverhör, und Jankle hielt sich recht gut. Nichts Spektakuläres. Cable verlangte, daß er sich die Videoaufzeichnung der Probe zusammen mit mehreren Jury-Experten ansah.
Als er schließlich nach
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