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Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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gewöhnlich in den ersten beiden Reihen, wechseln aber häufig die Plätze.«
    »Sie wissen, wer sie sind?« fragte Millie ungläubig.
    »Ich kenne ihre Namen nicht, aber sie sind ziemlich leicht zu entdecken. Sie sind gut gekleidet, und sie starren uns ununterbrochen an.«
    »Ich dachte, diese Leute wären Reporter«, sagte Colonel im Ruhestand Frank Herrera, außerstande, die Unterhaltung zu ignorieren.
    »Mir sind sie nicht aufgefallen«, sagte Herman Grimes, und alle lächelten, sogar der Pudel.
    »Beobachtet sie heute«, sagte Nicholas. »Zu Anfang sitzen sie gewöhnlich hinter ihrem jeweiligen Anwaltstisch. Und ich habe überhaupt eine großartige Idee. Da ist diese eine Frau, von der ich ziemlich sicher bin, daß sie eine Jury-Beraterin der Verteidigung ist. Sie ist ungefähr vierzig, untersetzt mit dichtem, kurzem Haar. Bisher hat sie jeden Morgen in der ersten Reihe hinter Durwood Cable gesessen. Wenn wir nachher hinausgehen, starren wir sie an. Und zwar alle zwölf, starren sie unverwandt an und sehen zu, wie sie immer nervöser wird.«
    »Sogar ich?« fragte Herman.
    »Ja, Herrn, sogar Sie. Drehen Sie einfach den Kopf auf zehn Uhr und starren Sie wie wir alle.«
    »Warum sollten wir Spielchen spielen?« fragte Sylvia ›Pudel‹ Taylor-Tatum.
    »Warum nicht? Was haben wir sonst die nächsten acht Stunden zu tun?«
    »Mir gefällt das«, sagte Jerry Fernandez. »Vielleicht hören sie dann auf, uns anzuglotzen.«
    »Und wie lange sollen wir sie anstarren?« fragte Millie. »Während Richter Harkin uns heute morgen seine Standpauke hält. Dazu braucht er ungefähr zehn Minuten.« Sie stimmten Nicholas mehr oder weniger zu.
    Um Punkt neun Uhr erschien Lou Dell, und sie verließen das Geschworenenzimmer. Nicholas hatte zwei Zeitschriften in der Hand, von denen eine die Ausgabe vom 12. Oktober von Sports Illustrated war . Er ging neben Jerry Fernandez her, bis sie die in den Gerichtssaal führende Tür erreicht hatten, und beim Hineingehen wendete er sich beiläufig zu seinem neuen Freund um und fragte: »Möchten Sie etwas zu lesen?« Die Zeitschrift wurde leicht gegen seinen Bauch gedrückt, also ergriff Jerry sie ebenso beiläufig und sagte: »Gern, danke.« Sie betraten den Saal.
    Fitch wußte, daß Fernandez, Nummer zwölf, die Zeitschrift haben würde, aber der Anblick versetzte ihm trotzdem einen Schlag. Er beobachtete, wie er sich an der hinteren Reihe entlangschob und auf seinem Platz niederließ. Fitch hatte die Zeitschrift an einem vier Blocks vom Gerichtsgebäude entfernten Zeitungsstand gesehen und wußte, daß Marino auf dem Titel abgebildet war, in dem marineblauen Trikot mit der Nummer dreizehn, mit schlagbereit erhobenem Arm.
    Seine Verblüffung verwandelte sich rasch in Erregung. Die Frau Marlee besorgte den Außendienst, während irgend jemand in der Jury für den Innendienst zuständig war. Vielleicht waren es zwei oder drei oder vier Geschworene, die mit ihr zusammenarbeiteten. Das spielte für Fitch keine Rolle. Je mehr, desto besser. Diese Leute verteilten die Karten, und Fitch war bereit, mitzuspielen.
    Die Jury-Beraterin hieß Ginger, und sie arbeitete für Carl Nussmans Kanzlei in Chicago. Sie hatte schon Dutzende von Prozessen durchgesessen. In der Regel verbrachte sie ungefähr die Hälfte jedes Tages im Gerichtssaal, wechselte während der Unterbrechungen den Platz, zog ihre Jacke aus, nahm ihre Brille ab. Im Beobachten von Geschworenen war sie ein alter Profi, und sie hatte schon alles gesehen. Sie saß in der ersten Reihe hinter den Anwälten der Verteidigung; ein Kollege von ihr saß ein paar Meter entfernt und las Zeitung, als die Geschworenen hereinkamen.
    Ginger musterte die Geschworenen und wartete darauf, daß Seine Ehren sie begrüßte, was er tat. Die meisten Geschworenen nickten und lächelten den Richter an, und dann drehten alle, sogar der Blinde, die Köpfe und schauten genau in ihre Richtung. Ein oder zwei lächelten, aber die meisten schienen über irgend etwas beunruhigt zu sein.
    Sie wendete den Blick ab.
    Richter Harkin quälte sich durch seine Liste - eine bedrohliche Frage nach der anderen -, und auch er bemerkte rasch, daß das Interesse seiner Geschworenen einem der Zuschauer galt.
    Sie starrten weiter, alle miteinander.
    Nicholas hatte Mühe, ein Triumphgeheul zu unterdrücken. Sein Glück war unglaublich. Auf der linken Seite des Gerichtssaals, hinter den Anwälten der Verteidigung, saßen ungefähr zwanzig Leute, und zwei Reihen hinter Ginger saß die

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