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Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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jemand beobachtete.
    Das war eine neue Herausforderung für Frederick Harkin. Im Moment konnte er sich nicht einmal an einen nur halbwegs ähnlichen Vorfall erinnern. Seine Möglichkeiten waren beschränkt, und je länger er über die Situation nachdachte, desto geringer wurden sie. Auch er wußte, daß beide Seiten über ganze Horden von Beratern, Mitarbeitern und Handlangern verfügten, die entweder im Gerichtssaal oder nicht weit davon entfernt lauerten. Er hatte genau beobachtet, was in seinem Saal vor sich ging, und dabei eine Menge unauffälligen Herumwanderns von Leuten wahrgenommen, die Erfahrung in solchen Prozessen hatten und nicht bemerkt werden wollten. Er wußte, daß der Mann den Saal jeden Moment verlassen konnte.
    Wenn Harkin plötzlich eine kurze Unterbrechung verkündete, würde er vermutlich sofort verschwinden.
    Es war ein ungeheuer aufregender Augenblick für den Richter. Nach all den Geschichten und Gerüchten von den anderen Prozessen und nach den scheinbar fruchtlosen Ermahnungen an die Geschworenen saß jetzt, hier im Saal, genau in diesem Moment, einer dieser geheimnisvollen Agenten, ein von der einen oder der anderen Seite zum Überwachen seiner Geschworenen angeheuerter Spürhund.
    Im Gerichtssaal diensttuende Deputies sind in der Regel uniformiert, bewaffnet und normalerweise ziemlich harmlos. Aufgabe der jüngeren Männer ist es, auf den Straßen den Elementen zu trotzen, und im Gerichtssaal tun die älteren, auf den Ruhestand zugehenden Leute Dienst. Richter Harkin sah sich um, und seine Möglichkeiten verringerten sich noch weiter.
    Da war Willis, der in der Nähe der Fahne an der Wand lehnte und allem Anschein nach bereits wieder in seinen üblichen Halbschlaf versunken war, mit halb geöffnetem rechten Mundwinkel und heraustropfendem Speichel. Am Ende des Mittelgangs, direkt vor Harkin, aber mindestens dreißig Meter entfernt, bewachten Jip und Rasco die Eingangstür. Jip saß im Moment in der hintersten Reihe, nahe der Tür, mit einer Lesebrille auf der Spitze seiner fleischigen Nase, und überflog die Lokalzeitung. Er war vor zwei Monaten an der Hüfte operiert worden, hatte Mühe, längere Zeit zu stehen, und deshalb die Erlaubnis erhalten, sich während der Verhandlung hinzusetzen. Rasco war Ende Fünfzig, der jüngste der Mannschaft, aber nicht gerade besonders beweglich. In der Regel stand noch ein jüngerer Deputy an der Eingangstür, aber der tat im Augenblick draußen auf dem Vorplatz neben dem Metalldetektor Dienst.
    Während der Auswahl der Geschworenen hatte Harkin massenhaft Uniformierte angefordert, aber nachdem die Zeugenaussagen nun schon eine Woche andauerten, hatte sich die anfängliche Aufregung gelegt und es war nur noch einer von vielen langwierigen Zivilprozessen, wenn auch einer, bei dem ungeheuer viel auf dem Spiel stand.
    Harkin musterte die zur Verfügung stehende Truppe und entschied sich gegen ein Eingreifen. Er schr ieb rasch ein paar Zeilen, behielt, den Mann ignorierend, den Zettel einen Moment in der Hand und gab ihn dann der Kanzleivorsteherin, Gloria Lane, die an einem kleinen Tisch unterhalb des Richtertisches und gegenüber dem Zeugenstand saß. Die Nachricht beschrieb den Mann, wies Gloria an, ihn sich genau, aber unauffällig anzusehen, dann durch eine Nebentür den Saal zu verlassen und den Sheriff zu holen. Er hatte auch dem Sheriff Anweisungen erteilt, die aber leider nicht mehr zur Durchführung kamen.
    Nachdem Doyle mehr als eine Stunde lang dem gnadenlosen Kreuzverhör von Dr. Bronsky zugehört hatte, war er bereit zu verschwinden. Die Frau war nirgends zu sehen; nicht, daß er erwartet hätte, sie hier zu finden. Er führte nur seine Befehle aus. Außerdem gefiel ihm dieses Herumreichen von Zetteln beim Richtertisch nicht. Er faltete leise seine Zeitung zusammen und verließ, von niemandem behindert, den Gerichtssaal. Harkin schaute ungläubig hinterher. Er ergriff sogar mit der rechten Hand das vor ihm montierte Mikrofon, als wollte er dem Mann zurufen, er solle stehenbleiben und ein paar Fragen beantworten. Aber er bewahrte die Ruhe. Es bestand die Aussicht, daß der Mann wiederkommen würde.
    Nicholas sah Seine Ehren an, und beide Männer waren frustriert. Cable machte eine Pause zwischen zwei Fragen, und Seine Ehren hieb plötzlich mit seinem Hammer auf den Tisch. »Zehn Minuten Unterbrechung. Die Geschworenen brauchen eine kurze Pause.«
    Willis gab die Nachricht an Lou Dell weiter, die ihren Kopf durch die einen Spaltbreit geöffnete

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