Das Urteil
Glücksspiel, Football und ganz allgemein jede Form von Trubel schlug Nicholas vor, daß sie sich am Montag abend in einem Kasino treffen sollten, um ihre letzten paar Stunden Freiheit zu feiern. Jerry hielt das für einen großartigen Vorschlag. Als die beiden das Gerichtsgebäude verließen, spielten sie mit der Idee, ein paar ihrer Kollegen dazu einzuladen. Die Idee klang gut, aber sie funktionierte nicht. Herman kam nicht in Frage. Lonnie Shaver verschwand eiligst, sehr aufgeregt, und sprach mit niemandem auch nur ein Wort. Savelle war neu und unbekannt und offensichtlich besser aus der Ferne zu genießen. Damit blieb nur noch Herrera, der Colonel, und nach dem war ihnen nicht zumute. Schließlich mußten sie zwei Wochen mit ihm zusammen eingesperrt verbringen.
Jerry lud Sylvia Taylor-Tatum, den Pudel, ein. Die beiden waren so etwas wie Freunde geworden. Sie war bereits zweimal geschieden, und Jerry lag zum erstenmal in Scheidung. Da Jerry sämtliche Kasinos an der Küste kannte, schlug er vor, daß sie sich in einem neuen treffen sollten, das The Diplomat hieß. Dort gab es eine Sportbar mit einem großen Fernseher, billige Drinks, ein bißchen Abgeschiedenheit und Serviererinnen mit langen Beinen und sehr knapper Bekleidung.
Als Nicholas um acht eintraf, war der Pudel bereits da, hielt einen Tisch in der überfüllten Bar frei, trank Bier vom Faß und lächelte freundlich, was sie innerhalb des Gerichtsgebäudes niemals tat. Ihr langes, lockiges Haar hatte sie im Nacken zusammengerafft. Sie trug hautenge, ausgeblichene Jeans, einen flauschigen Pullover und rote Cowboystiefel. Obwohl immer noch alles andere als hübsch, sah sie doch in einer Bar wesentlich besser aus als auf der Geschworenenbank.
Sylvia hatte die dunklen, traurigen, welterfahrenen Augen einer vom Leben geschlagenen Frau, und Nicholas war entschlossen, so schnell und so tief wie möglich zu graben, bevor Fernandez eintraf. Er bestellte eine weitere Runde und kam gleich zur Sache. »Sind Sie verheiratet?« fragte er, obwohl er wußte, daß sie es nicht war. Sie hatte das erstemal mit neunzehn geheiratet, und aus dieser Ehe waren Zwillinge hervorgegangen, zwei Jungen, die jetzt zwanzig waren. Einer arbeitete auf einer Ölplattform vor der Küste, der andere ging noch aufs College. Ziemliche Gegensätze. Ehemann Nummer eins hatte sie nach fünf Jahren verlassen, und sie hatte die Jungen allein aufgezogen. »Und Sie?«
»Nein. Im Grunde bin ich immer noch Student, aber im Moment arbeite ich.«
Ehemann Nummer zwei war ein älterer Mann gewesen, und glücklicherweise bekamen sie keine Kinder. Die Ehe dauerte sieben Jahre, dann tauschte er sie gegen ein neueres Modell ein. Sie schwor sich, nie wieder zu heiraten. Die Bears verloren den Ball an die Packers, und Sylvia verfolgte das Spiel interessiert. Sie liebte Football, weil ihre Jungen in der High-School in der Regionalmannschaft gespielt hatten.
Jerry erschien ziemlich abgehetzt und warf nervöse Blicke hinter sich, bevor er sich für sein Zuspätkommen entschuldigte. Er kippte sein erstes Bier in Sekundenschnelle hinunter und erklärte dann, er hätte das Gefühl, verfolgt zu werden. Der Pudel lachte ihn aus und meinte, daß inzwischen jeder Angehörige der Jury ständig nach hinten schaute, überzeugt, daß ihre Beschatter nicht weit entfernt sein konnten.
»Mit der Jury hat das nichts zu tun«, sagte Jerry. »Ich glaube, es ist meine Frau.«
»Ihre Frau?« fragte Nicholas.
»Ja, Ich glaube, sie hat einen Privatdetektiv auf mich angesetzt.«
»Dann sollten Sie sich darauf freuen, daß wir isoliert werden«, sagte Nicholas.
»Oh, das tue ich«, sagte Jerry und zwinkerte dem Pudel zu.
Er hatte fünfhundert Dollar auf die Packers gesetzt, auf ein Plus von sechs Punkten, aber die Wette galt nur für das Ergebnis der ersten Halbzeit. Für die zweite Halbzeit würde er eine neue Wette abschließen. Jedes Profi- oder Collegespiel, erklärte er den beiden Neulingen, bot eine erstaunliche Vielfalt von Wettmöglichkeiten, von denen praktisch keine etwas mit dem endgültigen Sieger zu tun hatte. Jerry wettete manchmal darauf, wer als erster den Ball fallen ließ, wer das erste Tor schoß, wer die meisten Pässe stoppte. Er verfolgte das Spiel mit der Nervosität eines Mannes, der um Geld wettet, das zu verlieren er sich nicht leisten kann. Während des ersten Viertels trank er vier Bier. Nicholas und Sylvia gerieten schnell in Rückstand.
In den Pausen zwischen Jerrys ständigem Gerede über
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