Das Urteil
Front bröckelte nicht. »Was haben Sie gesagt?« fragte Lou Dell. Es gab ein lautes Klicken, dann drehte sich der Türknauf. Nicholas trat auf den Flur und machte die Tür hinter sich zu. »Sagen Sie dem Richter, daß wir nicht herauskommen«, sagte er und funkelte Lou Dell und ihre schmutzigen, grauen Ponyfransen an.
»Das können Sie nicht machen«, sagte Willis so aggressiv wie möglich, was bei ihm eher schwächlich klang. »Halten Sie den Mund, Willis.«
Probleme mit den Geschworenen. Das war aufregend genug, um die Leute am Dienstag morgen wieder in den Gerichtssaal zurückzulocken. Es hatte sich schnell herumgesprochen, daß eine Geschworene entlassen und in die Wohnung eines anderen Geschworenen eingebrochen worden war; und nun war der Richter wütend und hatte die Einschließung der gesamten Jury angeordnet. Die Gerüchte überschlugen sich, am beliebtesten aber war die Story von einem Tabakschnüffler, der in der Wohnung eines Geschworenen erwischt worden war und nun per Haftbefehl gesucht wurde. Polizei und FBI fahndeten überall nach dem Mann.
Die Morgenzeitungen in Biloxi, New Orleans, Mobile und Jackson brachten die Sache ausführlich auf den Titelseiten.
Die ständigen Gerichtsbesucher waren in Scharen zurückgekehrt. Der größte Teil der ortsansässigen Anwälte hatte plötzlich dringende Angelegenheiten im Saal zu erledigen und lungerte herum. Ein halbes Dutzend Reporter von verschiedenen Zeitungen hatte sich auf der Seite der Anklage in der vordersten Reihe niedergelassen. Die Typen von der Wall Street, eine Gruppe, die immer kleiner geworden war, nachdem ihre Angehörigen Kasinos, Hochseeangeln und lange Nächte in New Orleans entdeckt hatten, waren wieder in voller Besetzung anwesend.
Und deshalb gab es eine Menge Zeugen, die beobachten konnten, wie Lou Dell nervös und auf Zehenspitzen durch die Geschworenentür kam und durch den vorderen Teil des Saals zum Richtertisch ging, wo sie sich hinaufreckte, während Richter Harkin sich herunterbeugte, und mit ihr konferierte. Harkin neigte den Kopf zur Seite, als könnte er nicht gleich begreifen, was sie sagte, dann schaute er fassungslos auf die Geschworenentür, an der Willis mit in einem erstarrten Achselzucken hochgezogenen Schultern stand.
Als Lou Dell ihre Nachricht überbracht hatte, kehrte sie rasch zu der Stelle zurück, an der Willis wartete. Richter Harkin musterte die fragenden Gesichter der Anwälte, dann betrachtete er die vielen Zuschauer. Er kritzelte etwas, das er selbst nicht lesen konnte. Er überlegte, was er jetzt tun sollte. Seine Jury streikte!
Und was genau sagte sein Richter-Handbuch dazu? Er zog sein Mikrofon dichter heran und sagte: »Meine Herren, wir haben ein kleines Problem mit den Geschworenen. Ich bitte Mr. Rohr und Mr. Cable, mich zu begleiten. Alle anderen bleiben, wo sie sind.«
Die Tür war wieder abgeschlossen. Der Richter klopfte höflich, drei leichte Schläge, gefolgt vom Drehen des Türknaufs. Die Tür ließ sich nicht öffnen. »Wer ist da?« kam eine Männerstimme von drinnen.
»Richter Harkin«, sagte er laut. Nicholas stand an der Tür. Er drehte sich um und lächelte seinen Kollegen zu. Millie Dupree und Mrs. Gladys Card standen in einer Ecke, dicht neben einem Stapel Gepäck; sie waren sehr nervös und hatten Angst vor dem Gefängnis oder dem, was der Richter ihnen sonst an den Kopf werfen würde. Aber die anderen waren immer noch empört.
Nicholas schloß die Tür auf und öffnete sie. Er lächelte freundlich, als wäre alles in bester Ordnung, als wären Streiks ein Routine-Bestandteil von Prozessen.
»Kommen Sie herein.«
Harkin, in einem grauen Anzug, ohne Robe, betrat mit Rohr und Cable im Schlepptau das Zimmer. »Wo liegt das Problem?« fragte er, während er den Blick umherschweifen ließ. Die meisten Geschworenen saßen am Tisch, der übersät war mit Kaffeetassen, leeren Tellern und Zeitungen. Lonnie Shaver saß mit einem Laptop auf den Knien in einer Ecke.
Phillip Savelle stand allein an einem Fenster. Easter war zweifellos der Wortführer und vermutlich der Anstifter. »Wir finden es nicht fair, daß die Deputies unser Gepäck durchsuchen sollen.«
»Und weshalb nicht?«
»Das liegt doch auf der Hand. Das sind unsere persönlichen Dinge. Wir sind keine Terroristen oder Drogenschmuggler, und Sie sind kein Zollbeamter.« Easters Ton war gebieterisch, und die Tatsache, daß er einem Richter gegenüber so kühne Worte gebrauchte, machte die Geschworenen sehr stolz. Er war einer
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