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Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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gehört habe«, sagte er und richtete einen überaus argwöhnischen Blick auf die Anwälte, die offensichtlich schuldig waren - die der Anklage.
    »Also gut. Bringen Sie die Geschworene Nummer vier herein, Stella Hulic«, wies Seine Ehren Willis an. Stella war steif vor Angst und bereits blaß, als sie den Gerichtssaal betrat.
    »Bitte nehmen Sie im Zeugenstand Platz, Mrs. Hulic. Es wird nicht lange dauern.« Der Richter lächelte ermutigend und deutete auf den Stuhl im Zeugenstand. Während sie sich setzte, warf Stella hektische Blicke in alle Richtungen.
    »Danke. Und jetzt, Mrs. Hulic, möchte ich Ihnen ein paar Fragen stellen.«
    Im Saal herrschte Stille. Die Anwälte hielten ihre Stifte in der Hand, ignorierten ihre geliebten Blocks und warteten darauf, daß ein großes Geheimnis offenbart wurde. Nach vier Jahren juristischer Kriegführung wußten sie praktisch schon im voraus, was jeder einzelne Zeuge aussagen würde. Die Aussicht auf eine nicht geprobte Aussage im Zeugenstand war faszinierend.
    Bestimmt stand sie im Begriff, irgendeine furchtbare, von der Gegenseite begangene Sünde zu offenbaren. Sie schaute kläglich zum Richter empor. Jemand hatte ihren Atem gerochen und sie verpfiffen.
    »Waren Sie übers Wochenende in Miami?«
    »Ja, Sir«, erwiderte sie langsam.
    »Mit Ihrem Mann?«
    ›Ja.« Cal hatte den Saal vor dem Lunch verlassen. Er hatte Geschäfte zu erledigen.
    »Und was war der Zweck dieser Reise?«
    »Wir wollten einkaufen.«
    »Ist, während Sie dort waren, irgend etwas Ungewöhnliches passiert?«
    Sie holte tief Luft und musterte die dichtgedrängt an den langen Tischen sitzenden Anwälte. Dann wendete sie sich an Richter Harkin und sagte: »Ja, Sir.«
    »Bitte erzählen Sie uns, was passiert ist.«
    Ihre Augen fingen an zu schwimmen, und die arme Frau war nahe daran, die Beherrschung zu verlieren. Richter Harkin nützte den Moment und sagte: »Keine Sorge, Mrs. Hulic. Sie haben nichts Unrechtes getan. Erzählen Sie uns nur, was passiert ist.«
    Sie biß sich auf die Unterlippe, dann preßte sie die Zähne zusammen. »Wir sind Freitag abend im Hotel angekommen, und als wir ungefähr zwei oder drei Stunden dort waren, hat das Telefon geläutet, und es war irgendeine Frau dran, die uns sagte, wir würden von diesen Männern von den Tabakkonzernen beschattet. Sie sagte, sie wären uns von Biloxi aus gefolgt, und sie wüßten unsere Flugnummern und überhaupt alles. Sie sagte, sie würden uns das ganze Wochenende über beschatten und vielleicht sogar versuchen, unser Telefon abzuhören.«
    Rohr und seine Truppe atmeten erleichtert auf. Ein oder zwei seiner Leute warfen finstere Blicke auf den anderen Tisch, wo Cable und Konsorten wie erstarrt dasaßen.
    »Haben Sie jemanden gesehen, der Ihnen gefolgt ist?«
    »Also, offen gestanden, ich habe das Hotelzimmer nicht verlassen. Es hat mich so geängstigt. Mein Mann Cal war ein paarmal draußen, und er hat am Strand jemanden gesehen, einen Mann mit einer Kamera, der aussah wie ein Kubaner, und dann hat er am Sonntag, als wir das Hotel verließen, denselben Mann noch einmal gesehen.« Stella begriff plötzlich, daß dies ihr Ausweg war, genau der richtige Moment, einen so mitgenommenen Eindruck zu machen, daß sie nicht fortfahren konnte. Ohne große Anstrengung begannen die Tränen zu fließen.
    »Sonst noch etwas, Mrs. Hulic?«
    »Nein«, sagte sie schluchzend. »Es ist so furchtbar. Ich kann nicht…« Alles weitere ging in jammervollem Schluchzen unter.
    Seine Ehren sah die Anwälte an. »Ich werde Mrs. Hulic entlassen und sie durch Stellvertreter Nummer eins ersetzen.« Von Stella kam ein kleines Heulen, und angesichts der Qualen, die diese Frau litt, war es unmöglich, für ihre Beibehaltung zu argumentieren. Den Geschworenen drohte die Isolierung, und das würde sie bestimmt nicht durchstehen.
    »Sie dürfen ins Geschworenenzimmer zurückkehren, Ihre Sachen holen und nach Hause gehen. Danke für Ihre Dienste, und ich bedauere, daß das passiert ist.«
    »Es tut mir so leid«, brachte sie flüsternd heraus, dann erhob sie sich vom Zeugenstuhl und verließ den Saal. Ihre Entlassung war ein Schlag für die Verteidigung. Sie war während der Auswahl hoch eingeschätzt worden, und nach zwei Wochen ununterbrochenen Beobachtens waren die Jury-Experten auf beiden Seiten fast einhellig der Ansicht gewesen, daß sie der Anklage keinerlei Sympathien entgegenbrachte. Sie rauchte seit vierundzwanzig Jahren und hatte noch nie versucht, damit

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