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Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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ihrer Zigaretten zu erhöhen. Mehr Nikotin bedeutete mehr Raucher und damit größeren Absatz und höheren Profit.«
    Krigler machte diese Aussage mit einem feinen Gespür fürs Dramatische, und niemand ließ sich auch nur ein Wort entgehen. Die Geschworenen beobachteten, zum erstenmal seit Tagen, jede Bewegung, die der Zeuge machte. Das Wort ›Profit‹ schwebte über dem Gerichtssaal wie ein schmutziger Nebel.
    John Milton Riley schwieg einen Moment, dann sagte er: »Also, damit keine Mißverständnisse aufkommen. Die Aktennotiz wurde von jemandem in einer anderen Firma verfaßt und an den Präsidenten dieser Firma geschickt, richtig?«
    »Das ist korrekt.«
    »Einer Firma, die damals ein Konkurrent von Pynex war und es noch heute ist.«
    »Auch das ist korrekt.«
    »Wie ist die Aktennotiz 1973 zu Pynex gelangt?«
    »Das habe ich nie herausgefunden. Aber Pynex wußte mit Sicherheit über die Untersuchung Bescheid. Anfang der siebziger Jahre, wenn nicht schon früher, kannte die gesamte Tabakindustrie diese Untersuchung.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Ich habe dreißig Jahre für die Industrie gearbeitet, und zwar in der Produktion. Ich habe mit zahlreichen Leuten gesprochen, insbesondere mit meinen Kollegen in den anderen Konzernen. Ich will nur soviel sagen, daß die Tabakkonzerne gelegentlich fest zusammenhalten.«
    »Haben Sie je versucht, von ihrem Freund eine weitere Kopie der Aktennotiz zu erhalten?«
    »Ich habe es versucht. Ohne Erfolg. Belassen wir es dabei.«
    Bis auf die übliche Kaffeepause von einer Viertelstunde um halb elf, sagte Krigler während der ganzen drei Stunden der Vormittagssitzung aus. Seine Aussage ging vorbei, als dauerte sie nur wenige Minuten, und sie war ein entscheidender Faktor in diesem Prozeß. Es war eine perfekte Darbietung des ehemaligen Mitarbeiters, der schmutzige Geheimnisse ausplaudert. Die Geschworenen ignorierten sogar ihren üblichen Mittagshunger. Die Anwälte beobachteten die Geschworenen noch genauer als sonst, und der Richter schien jedes Wort mitzuschreiben, das der Zeuge von sich gab.
    Die Reporter waren ungewöhnlich hingebungsvoll bei der Sache, die Jury-Berater ungewöhnlich aufmerksam. Die Wachhunde von der Wall Street zählten die Minuten, bis sie hinausrennen und endlich in New York anrufen konnten. Die gelangweilten einheimischen Anwälte, die im Saal herumlungerten, würden noch nach Jahren über diese Aussage reden. Sogar Lou Dell in der vorderen Reihe hörte auf zu stricken.
    Fitch verfolgte die Aussage in dem Vorführraum neben seinem Büro. Es war vorgesehen gewesen, daß Krigler erst Anfang der nächsten Woche aussagen sollte, und dann hätte die Chance bestanden, daß er überhaupt nicht aussagte. Etch gehörte zu den wenigen noch lebenden Personen, die die Aktennotiz tatsächlich gesehen hatten, und Krigler hatte sie mit erstaunlichem Erinnerungsvermögen beschrieben. Jedermann, sogar Fitch, war klar, daß der Zeuge die Wahrheit sagte.
    Eine von Fitchs ersten Aufträgen vor neun Jahren, als er von den Großen Vier angeheuert worden war, hatte darin bestanden, alle Kopien der Aktennotiz aufzuspüren und zu vernichten. Er arbeitete noch immer daran.
    Bisher hatten weder Cable noch ein anderer der von Fitch für die Verteidigung angeheuerten Anwälte das Blatt gesehen.
    Um die Zitierfähigkeit vor Gericht war ein kleiner Krieg geführt worden. Die Regeln der Beweisführung verbieten normalerweise eine mündliche Beschreibung verlorengegangener Dokumente, aus offensichtlichen Gründen. Der beste Beweis ist das Dokument selbst. Aber wie in jedem Bereich der Rechtsprechung gibt es auch hier Ausnahmen und Ausnahmen von den Ausnahmen, und Rohr und Genossen hatten meisterhafte Arbeit geleistet und Richter Harkin überzeugt, daß die Geschworenen Kriglers Beschreibung von etwas hören sollten, was im Grunde ein verlorengegangenes Dokument war.
    Cables Kreuzverhör am Nachmittag würde brutal werden, aber der Schaden war angerichtet. Fitch ließ den Lunch ausfallen und schloß sich in seinem Büro ein.
    Im Geschworenenzimmer herrschte beim Lunch eine erstaunlich andere Stimmung als gewöhnlich. An die Stelle des normalen Geplauders über Football und Kochrezepte war ein fast vollständiges Schweigen getreten. Die Jury als beratende Versammlung war nach zwei Wochen voller weitschweifiger wissenschaftlicher Ausführungen von Experten, denen man hohe Beträge dafür gezahlt hatte, daß sie in Biloxi auftraten, in eine Art Stumpfheit verfallen. Und jetzt waren

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