Das Urteil
absichtlich hoch hielt.«
»Also…«
»Unterbrechen Sie mich nicht, Mr. Cable. Das Nikotin an sich ist nicht krebserregend, das wissen Sie, es ist lediglich ein Gift, ein Gift, das süchtig macht, damit die krebserregenden Stoffe eines Tages ihr Werk tun können. Und das ist der Grund dafür, daß Zigaretten prinzipiell gefährlich sind.«
Cable musterte ihn gelassen. »Sind Sie fertig?«
»Ich bin bereit für die nächste Frage. Aber unterbrechen Sie mich nicht noch einmal.«
»Gewiß, und ich bitte um Entschuldigung. Also, wann gelangten Sie zu der Überzeugung, daß Zigaretten prinzipiell gefährlich sind?«
»Das weiß ich nicht mehr genau. Es war, wie Sie wissen, bereits seit geraumer Zeit bekannt. Man brauchte damals kein Genie zu sein, um sich das klarzumachen, und heute auch nicht.
Aber ich würde sagen, irgendwann Anfang der siebziger Jahre, nachdem ich mein Studium abgeschlossen hatte, nachdem meine Schwester gestorben war und kurz bevor ich die berüchtigte Aktennotiz zu Gesicht bekam.«
»1973?«
»Irgendwann um diese Zeit.«
»Wann sind Sie bei Pynex ausgeschieden? In welchem Jahr?« »1982.«
»Sie haben also weiter für eine Firma gearbeitet, die ein Produkt herstellte, das Sie für prinzipiell gefährlich hielten?« »Ja, das habe ich getan.«
»Wie hoch war Ihr Gehalt im Jahre 1982?«
»Neunzigtausend Dollar im Jahr.«
Cable hielt inne und ging zu seinem Tisch, wo ihm ein weiterer Notizblock gereicht wurde, den er eine Sekunde lang studierte, wobei er auf dem Bügel seiner Lesebrille herumkaute, dann kehrte er ans Pult zurück und fragte Krigler, weshalb er die Gesellschaft 1982 verklagt hätte. Krigler gefiel die Frage nicht, und er schaute hilfesuchend zu Rohr und Milton. Cable ritt auf den Details herum, die zu dem Prozeß geführt hatten, einem hoffnungslos komplizierten und sehr persönlichen Prozeß, und die Aussage kam praktisch zum Stillstand. Rohr erhob Einspruch, und Milton erhob Einspruch, und Cable tat so, als könnte er um nichts in der Welt begreifen, was sie mit ihren Einsprüchen wollten. Die Anwälte trafen sich an der Seitenschranke, um ihren Streit vor Richter Harkin auszutragen, und Krigler wurde es leid, im Zeugenstand zu sitzen. Cable ritt auf Kriglers Arbeitsleistung in seinen letzten zehn Jahren bei Pynex herum und machte Andeutungen, daß andere Zeugen aufgerufen werden könnten, die ihn widerlegten. Die Taktik hätte fast funktioniert. Außerstande, Kriglers verheerende Aussage zu erschüttern, versuchte die Verteidigung statt dessen, die Geschworenen mit Kleinkram einzunebeln.
Wenn ein Zeuge nicht widerlegt werden kann, dann setze ihm mit belanglosen Details zu.
Aber die Taktik wurde den Geschworenen hinterher von Nicholas Easter erklärt, der zwei Jahre Jura studiert hatte und seine Kollegen während der Kaffeepause am späten Nachmittag mal wieder daran erinnerte. Trotz Hermans Einwänden gab Nicholas seinem Zorn auf Cable Ausdruck, weil er mit Schlamm warf und versuchte, die Jury zu verwirren. »Er hält uns für blöde«, sagte er bitter.
17
A ufgrund der hektischen Anrufe aus Biloxi sank der Kurs der Pynex-Aktien bis Börsenschluß am Donnerstag auf fünfundsiebzigeinhalb, ein Minus von fast vier Dollar bei lebhaftem Handel, der auf die dramatischen Ereignisse im Gerichtssaal zurückgeführt wurde.
In früheren Tabakprozessen hatten ehemalige Mitarbeiter über Pestizide und Insektizide ausgesagt, die auf die Pflanzen versprüht wurden, und Experten hatten diese Chemikalien mit Krebs in Zusammenhang gebracht. Die Jurys waren nicht beeindruckt gewesen. Bei einem Prozeß hatte ein ehemaliger Mitarbeiter ausgesagt, daß sein früherer Arbeitgeber seine Werbung ganz gezielt auf junge Teenager abgestellt hatte, mit Anzeigen, auf denen schlanke und gutaussehende Idioten mit perfektem Kinn und perfekten Zähnen zu sehen waren, die offenbar allen möglichen Spaß mit ihren Zigaretten hatten. Zielgruppe anderer Anzeigen desselben Arbeitgebers waren ältere männliche Jugendliche. Hier sah man Cowboys und Fahrer von Tourenwagen, die mit einer Zigarette zwischen den Lippen aufregenden Geschäften nachgingen.
Die Geschworenen in diesen Prozessen hatten dennoch keinen Spruch zugunsten der Anklage gefällt.
Es hatte aber noch kein ehemaliger Mitarbeiter soviel Schaden angerichtet wie Lawrence Krigler. Die berüchtigte Aktennotiz aus den 30er Jahren war einer Handvoll Leuten bekannt, aber sie war noch nie in einem Prozeß aufgetaucht. Krigler hatte mit seiner
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