Das Urteil
liebe.«
Cable hatte gehofft, einen kleinen Punktgewinn zu erzielen, indem er die Möglichkeit aufzeigte, daß Krigler auf Rache oder Vergeltung aus war. Vielleicht würde das Wort ›hassen‹, wenn er es oft genug aussprach, bei einigen der Geschworenen irgendwie hängenbleiben.
»Welches Motiv haben Sie für Ihre Aussage hier?« »Das ist eine schwierige Frage.«
»Ist es Geld?«
»Nein.«
»Werden Sie von Mr. Rohr oder jemand anderem, der für die Anklage arbeitet, für Ihr Erscheinen und Ihre Aussage bezahlt?« »Nein. Sie haben sich bereit erklärt, mir meine Reisekosten zu erstatten, aber das ist alles.«
Das letzte, was Cable wollte, war, Krigler den Weg freizumachen für eine Darlegung seiner Gründe für eine Aussage. Er hatte sie während der Vernehmung durch Milton kurz angesprochen, und er hatte sie während der Videovernehmung fünf Stunden lang dargelegt. Jetzt kam es darauf an, ihn mit anderen Dingen zu beschäftigen.
»Haben Sie je Zigaretten geraucht, Mr. Krigler?«
»Ja. Leider habe ich zwanzig Jahre lang geraucht.« »Sie wünschten sich also, Sie hätten es nie getan?« »Natürlich.«
»Wann haben Sie damit angefangen?«
»1952, als ich in die Firma eintrat. Damals wurde das Rauchen unter den Mitarbeitern bewußt unterstützt. Das ist heute auch noch so.«
»Glauben Sie, daß Sie Ihrer Gesundheit geschadet haben, indem Sie zwanzig Jahre lang Zigaretten rauchten?«
»Natürlich. Ich schätze mich glücklich, daß ich nicht tot bin wie Mr. Wood.«
»Wann haben Sie aufgehört?«
»1973. Nachdem ich die Wahrheit über das Nikotin erfahren hatte.«
»Haben Sie den Eindruck, daß Ihr gegenwärtiger Gesundheitszustand beeinträchtigt ist, weil Sie zwanzig Jahre lang geraucht haben?«
»Natürlich.«
»War Ihrer Ansicht nach die Firma auf irgendeine Weise für Ihren Entschluß, Zigaretten zu rauchen, verantwortlich?« »Ja. Wie ich bereits sagte, es wurde ausdrücklich befürwortet.
Alle rauchten. Wir konnten in der Kantine Zigaretten zum halben Preis kaufen. Jede Sitzung begann damit, daß eine Schale voller Zigaretten herumgereicht wurde. Es war ein wichtiger Bestandteil der Firmenkultur.«
»Hatten Ihre Büros Lüftungsanlagen?«
»Nein«.
»Wie schlimm war das Passivrauchen?«
»Sehr schlimm. Es hing immer eine blaue Qualmwolke dicht über unseren Köpfen.«
»Also geben Sie heute der Firma die Schuld dafür, daß Sie nicht so gesund sind, wie Sie Ihrer Meinung nach sein sollten?« »Die Firma hatte eine Menge damit zu tun. Zum Glück habe ich es geschafft, mir das Rauchen abzugewöhnen. Es war nicht leicht.«
»Und deshalb hegen Sie einen gewissen Groll gegen die Firma?«
»Drücken wir es so aus: Ich wollte, ich hätte mich nach Abschluß meines Studiums für eine andere Branche entschieden.«
»Branche? Hegen Sie einen Groll gegen die gesamte Branche?«
»Ich bin kein Fan der Tabakindustrie.«
»Sind Sie deshalb hier?«
»Nein.«
Cable blätterte in seinen Notizen und schlug rasch eine andere Richtung ein. »Sie hatten eine Schwester, stimmt das, Mr.
Krigler?«
›Ja.«
»Was ist mit ihr passiert?«
»Sie ist 1970 gestorben.«
»Woran ist sie gestorben?«
»An Lungenkrebs. Sie hat ungefähr dreiundzwanzig Jahre lang täglich zwei Schachteln geraucht. Das Rauchen hat sie umgebracht, Mr. Cable, wenn es das ist, was Sie hören wollen.« »Standen Sie einander nahe?« fragte Cable mit genügend Mitgefühl, um einen Teil der Bosheit, daß er die Tragödie überhaupt zur Sprache gebracht hatte, vergessen zu machen. »Wir standen uns sehr nahe. Ich hatte sonst keine Geschwister.«
»Und ihr Tod hat Sie schwer getroffen?«
»Ja. Sie war ein ganz besonderer Mensch, und ich vermisse sie immer noch.«
»Es tut mir leid, das zur Sprache bringen zu müssen, aber es ist relevant.«
»Ihr Mitgefühl ist überwältigend, Mr. Cable, aber daran ist nichts relevant.«
»Was hat sie davon gehalten, daß Sie rauchten?«
»Sie war dagegen. Als sie im Sterben lag, flehte sie mich an, damit aufzuhören. Ist es das, was Sie hören wollten, Mr.
Cable?«
»Nur, wenn es die Wahrheit ist.«
»Oh, es ist die Wahrheit, Mr. Cable. Am Tag vor ihrem Tod habe ich mir geschworen, mit dem Rauchen aufzuhören. Und ich habe es getan, obwohl ich drei lange Jahre dazu brauchte.
Ich war süchtig, verstehen Sie, Mr. Cable, genau, wie meine Schwester es gewesen war, weil der Hersteller der Zigaretten, die sie umgebracht haben und auch mich hätten umbringen können, den Nikotingehalt
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