Das Urteil
mußten, also entschloß er sich zu warten. Es dauerte nicht einmal so lange. Glitsky stand auf, und die Narbe quer durch seine Lippen verzog sich zu einer schmalen weißen Linie, als er die halbwegs feindseligen Blicke der drei Rednecks aushalten mußte. Glitsky, der selbst zur Hälfte ein Weißer war, merkte manchmal, daß er Weiße mehr haßte als Schwarze, wenn man von ganz widerlichen Kerlen absah. Er verbuchte das als Charakterschwäche. Irgendwann würde er etwas dagegen tun, ganz bestimmt.
Der Mann im Büro sagte etwas, und der Größte der drei Männer drehte sich um. Er sprach höflich und gesetzt, dem Augenschein nach um Zuvorkommenheit bemüht. »Ich bin Phil DiStephano, gibt's irgendwelche Schwierigkeiten?«
Glitsky hatte bereits vorher seine Dienstmarke gezeigt, und ohne Zweifel hatte der Büromensch die Information verlauten lassen, daß dieser stämmige Schwarze in Zivil bei der Polizei war. Die beiden anderen Klempner gaben Phil Flanken schutz, aber schienen eher auf einen Vorwand aus zu sein, sich wieder in das Hinterzimmer verziehen zu können oder in ihre Pickups oder wohin sonst immer sie gingen, während sie darauf warteten, Waschbecken zu reparieren und verstopfte Toiletten wieder in Gang zu bringen. Er zog erneut die Dienstmarke aus der Tasche. »Wenn Sie ein paar Minuten für mich übrig hätten.«
Er deutete nach draußen - ein Rucken des Kopfes. Beim Öffnen der Tür sah er nicht zurück, sondern ging halb über den Bürgersteig und drehte sich dann um, arrangierte es so, daß die Sonne hinter ihm stand. Als er sich umdrehte, war ihm Phil gefolgt und stand ein paar Schritte beiseite, kniff die Augen zusammen und fing zu schwitzen an.
Glitsky ließ ihn schmoren.
Er hielt es etwa zehn Sekunden lang durch, was einem sehr lange vorkam. »Gibt es irgendwelchen Ärger, Officer? Ich hab ein paar Kunden, zu denen ich fahren ...«
»Dismas Hardy.« Glitsky war auf leise Töne aus, damit Phil sorgfältig zuhören müßte.
»Was soll das heißen?«
Glitsky wiederholte es. »Der Anwalt Ihrer Tochter? Der Mann, dem Sie gestern abend einen Besuch abgestattet haben?«
Phil hob die Hand. »He, Moment mal. Hardy hat mir einen Besuch abgestattet. Ich weiß nicht, was er Ihnen erzählt hat, aber er ist derjenige, der ...«
Phil brabbelte eine Zeitlang weiter, und der Schweiß glänzte jetzt auf seiner Stirn. Als er sich wieder beruhigt hatte, fragte ihn Glitsky, ob er jetzt fertig sei.
»Ich weiß nicht recht.« Phil schien sich durch Glitskys Geduld, sein ruhiges Abwarten - mit verschränkten Armen hörte er ihm zu - ermutigt zu fühlen. »Ich denk mir, ich sollte das vielleicht anzeigen, wissen Sie. Wenn er mir weiterhin solche Scherereien macht...«
»Ich mache Ihnen Scherereien?«
»Nein! Nein, das habe ich nicht gemeint. Ich meine, wenn er bei mir zu Hause vorbeikommt und meine Frau belästigt.«
Es reichte jetzt. Glitsky dachte bei sich, daß es eine weitere seiner Charakterschwächen war, daß er als Kind nie genug Spaß daran gefunden hatte, unter einem Brennglas Ameisen den Chitinpanzer zu versengen. Er nickte, als habe er alles von Phil Vorgetragene zur Kenntnis genommen und sorgfältig erwogen. »Hardy hat Ihre Frau nicht belästigt.«
»Aber ja doch. Er war draußen bei mir und ...«
»Und falls mir je zu Ohren kommt, daß Sie ihn noch einmal bedroht haben, dann werden Sie feststellen, daß Ihnen das Leben in dieser Stadt ziemlich wenig Spaß macht. Man wird Sie wegen zu schnellen Fahrens anzeigen. Wird Sie abschleppen, sobald Sie Ihr Auto parken.«
Phil legte jetzt einen neuen Gang ein. Gerechtfertigte Entrüstung, I. Akt. »Wollen Sie mir etwa drohen?«
»Es ist sogar gut denkbar, daß Sie Ihren Job los sind. Die Chefs haben nicht gern Angestellte, die die Cops auf dem Kieker haben. Das ist schlecht fürs Geschäft.«
»Das muß ich mir nicht anhören. Wie heißen Sie noch mal? Das können Sie nicht bringen.«
Glitskys Narbe funkelte grell durch ein kaltes Feixen. »Aber gewiß kann ich das, wetten?« Er senkte die Stimme. »Mein Name ist Inspector Sergeant Abraham Glitsky - soll ich es Ihnen buchstabieren? Ich gebe Ihnen gerne die Nummer meiner Dienstmarke, wenn Sie das wünschen.«
Phil stand da, und der Schweiß lief ihm übers Gesicht. Glitsky trat einen Schritt näher. »Hardy ist ein Freund von mir. Ich würde mich an Ihrer Stelle ebenfalls mit ihm anfreunden. Ja, ich würde sogar sagen, es liegt in Ihrem ureigenen Interesse aufzupassen, daß ihm nichts Böses
Weitere Kostenlose Bücher