Das Urteil
spielte.
»Ich spreche von ihm, von Dr. Witt.«
Hardy wartete.
»Wissen Sie, nachdem er Melissa umgebracht hat und bevor er selber umgebracht wurde, da wußte ich, daß er da oben in seinem schicken Haus lebt, jede Menge Geld einstreicht, aus all seinen Sünden Profit schlägt...«
Hardy fragte sich, ob Cecil wußte, daß Witt seine Arbeit in der Mission Hills Clinic ehrenamtlich tat. Aber dies war nicht der Augenblick, um es ihm mitzuteilen.
»Und ich weiß, daß es in der Welt eben so läuft. Die Sünder leben in Saus und Braus. Aber von Zeit zu Zeit sieht man doch den Beweis. Sieht man ein wenig Gerechtigkeit in der Welt. Die Strafe ereilt sie doch.«
»Jawohl, Sir.« Sie schüttelten sich die Hand.
Erst als er wieder in der Innenstadt war und auf der Sutter Street parkte, wurde ihm bewußt, was Cecil gesagt hatte. Penny mochte geglaubt haben, daß sie und ihr Mann nichts über Dr. Witt wüßten, aber Cecil wußte offensichtlich, daß Witt oben am Sutro Tower in einem prächtigen Haus wohnte. Und er hatte das gewußt, bevor er noch darüber in der Zei tung gelesen hatte.
Hardy unterhielt sich mit Jennifer und erfuhr, daß Larrys Auto aufgebrochen worden war, er aber keine Anzeige erstat tet hatte. Was sollte die Polizei schon groß unternehmen? Er hatte das Auto einfach in die Werkstatt gebracht und ein neues Radio gekauft. So regelte man das. Die Versicherung war dafür aufgekommen.
Larry war ein Einzelkind gewesen, seine Eltern waren schon lange tot. Die Witts waren ganz allein auf sich gestellt, und so kamen sie sich auch vor. Das war der Grund, sagte Jen nifer, warum Larrys Beschützerinstinkt so ausgeprägt war, sie nicht auf eigene Faust ausgehen ließ, immer wissen wollte, wo sie sich gerade aufhielt - damit er beruhigt sein konnte, daß alles in Ordnung und die Familie in Sicherheit war.
Sie und Larry waren sich einig gewesen, daß Phil und Nancy nicht als Erziehungsberechtigte von Matt in Frage kamen. Also hatte Larry eine Cousine gebeten - Laurie Soundso, die weiter südlich im Orange County lebte -, für den Fall der Fälle diese Verantwortung auf sich zu nehmen.
Trotz alledem hätten Jennifers Eltern als nächste Angehörige alles geerbt, wenn Jennifer zusammen mit Larry und Matt umgekommen wäre.
Dennoch glaubte Hardy, dem es durchaus in den Kram gepaßt hätte, falls sich herausstellen sollte, daß Tom oder Phil oder sogar die Romans bei der Ermordung Larrys die Hand im Spiel gehabt hatten, nicht wirklich, daß einer von ihnen es gewesen war. Er wollte lediglich alle Eventualitäten abklären.
Nach seinem Tag bei ihren Ärzten sagte ihm sein Gefühl, daß Jennifer vermutlich getan hatte, was ihr die Anklagevertretung vorwarf. Auch er war jetzt wie Freeman mehr oder minder der Meinung, daß sie ihren ersten Ehemann Ned und dann ihren zweiten Mann Larry umgebracht hatte, damit sie sie nicht länger verprügelten. Und irgendwie war ihr dabei tragischerweise Matt in die Quere gekommen.
Frannie legte die Hand an die Plexiglasscheibe, und Jennifer tat das gleiche. Sie starrten einander lange an. Frannie hatte nicht wirklich vorgehabt, Jennifer erneut zu besuchen. Sie hatte die Kinder bei Erin abgeliefert und wollte zum Einkaufen gehen.
Vielleicht war es die Szene mit Jennifers Vater und Bruder gewesen, vielleicht wollte sie sich nur rückversichern, daß die beiden nicht wirklich so gefährlich waren. Vielleicht fühlte sie sich auch ein bißchen schuldig, weil sie mit Jennifer etwas angefangen hatte, das sie vielleicht nicht zu Ende bringen konnte. Sie wußte nicht recht - es war kompliziert, aber jedenfalls stand sie jetzt hier.
Jennifer brach das Schweigen. »Sie sehen nicht so gut aus. Ist alles in Ordnung?«
Zuerst langsam, aber dann in einem Sturzbach von Worten, der sie selber überraschte, erzählte ihr Frannie von dem Streit mit ihrem Bruder Moses, dem Ärger mit Dismas, der allem Anschein nach ein Eigenleben zu führen anfing, von dem Schuldgefühl, daß sie ihre Kinder - wieder einmal - bei Erin Cochran, Rebeccas Großmutter, abgeliefert hatte. Erst ganz am Schluß berichtete sie über Phil und Tom DiStephano und ihre Drohungen gestern abend.
»Mein Vater und mein Bruder sind zu Ihnen nach Hause gekommen? Warum denn das?«
»Ich glaube, um Dismas zusammenzuschlagen. Ihn vielleicht nur zu bedrohen. Sie waren ziemlich betrunken, glaube ich. Aber es hat mich zu Tode erschreckt.«
Jennifers Augen schauten auf die Hände, die durch die Glasscheibe getrennt aufeinandergepreßt
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