Das Urteil
hat? Sie gibt es zu. Soll mir da etwa prima zumute sein? Warum erzählen Sie es mir jetzt? Denken Sie, die Ironie gefällt mir, ist das der Grund?«
»Nein, das glaube ich nicht.«
Hardy wartete ab, atmete schwer.
Freeman zupfte noch ein bißchen an seinem Hemdsaum herum. »Es war so kompliziert, Diz. Und ...« Ihm schienen untypischerweise die Worte zu fehlen, »und ich schätze Sie. Ich wollte Sie nicht verlieren, und ich weiß, daß ich Sie verloren hätte.«
Schmeichelei. Blödsinn. Hardys Nase wurde immer feiner.
Er trank den Rest seines Biers aus. »Tja, David, zur Hölle mit Ihnen. Und zur Hölle mit ihr.«
Er stand auf, knallte die Flasche auf den Tisch und ging zur Tür.
Freeman ließ sein Getränk stehen und hetzte ihm hinterher, hinaus in den Regen.
»Ich möchte, daß Sie ihr einfach zuhören, ich möchte, daß Sie es sich selbst anhören.« Freeman war Hardy hinaus zum Auto gefolgt, hatte auf dem Beifahrersitz Platz genommen, und jetzt saßen sie auf dem Parkplatz gegenüber des Justizgebäudes, während der Regen aufs Dach prasselte und die Fenster beschlugen.
Hardy schüttelte ungläubig den Kopf. »Was kann sie schon sagen? Was kann sie denn schon sagen?«
32
Mir blieb gar keine Wahl. Er hätte mich totgeschlagen, hätte mich gejagt und gestellt und totgeschlagen. Wie lange muß man das aushalten, bis man etwas dagegen unternehmen darf?
Das sagen sie doch alle, stimmt's. Das denken Sie doch auch? Na ja, wenn alle das sagen, ist vielleicht was dran.
Im ersten Jahr oder so hatten wir beide Arbeit, wir haben uns ein Haus gekauft, wir wollten es halten wie unsere Eltern. Er hat auch noch nicht viel Koks genommen. Wenn er mir bei einem Streit eine gescheuert hat, war er hinterher immer ganz zuckersüß, und wir haben uns wieder versöhnt.
Nachdem es zum ersten Mal richtig schlimm gewesen war, bin ich nach Hause zu meiner Mom gefahren. Wissen Sie, was sie zu mir gesagt hat? Sie hat zu mir gesagt, sie hofft, daß er damit aufhört, aber sie wird es Dad lieber nicht erzählen, weil er sich nur aufregt, und was kann er denn schon tun? Außer daß er vielleicht zu Ned fährt und selber Ärger bekommt. Entweder er oder Ned, und Ärger gäbe es so oder so, also war ich langfristig besser damit bedient, wenn ich die Sache einfach mit Ned kläre und meinen Dad rauslasse.
Das ist es, was Ehefrauen machen, sagte Mom. Sie klären die Sache und versuchen sich nicht zu beklagen, und wenn ich vielleicht ein bißchen netter bin, wird Ned vielleicht nicht so wütend werden. Wenn ich mich nicht so zickig aufführen würde, wissen Sie.
Also hab ich das versucht, aber das Problem war, daß ich keine Chance gegen Ned hatte, wenn er trank und kokste und all das andere Zeug. Er war einfach gemein und ekelhaft und sogar noch schlimmer, als er den Job bei Bill Graham verlor - er war ein paar Jahre lang so was wie der Chefroadie - und dann haben sie ihn rausgeschmissen - raten Sie mal, warum? -, und er mußte wieder in den kleinen Clubs arbeiten und wurde einfach immer ekelhafter. Und natürlich war in der Musikszene jede Menge Koks geboten.
Jedenfalls hatte ich diese Freundin in Los Angeles, Tara, und ich bin praktisch weggelaufen und wollte bei ihr wohnen. Ich habe den Fehler begangen, Ned anzurufen und ihm zu sagen, daß ich weg bin und nicht zurückkomme, aber er soll sich keine Sorgen um mich machen. Ist das nicht Masse? Ich wollte nicht, daß er sich Sorgen um mich macht. Ich wollte einfach, daß die Sache vorbei ist.
Aber er wollte nicht, daß es vorbei ist. Es war ein Fehler, ihn anzurufen. Ich hätte mir nie träumen lassen, daß er mir nachkommt. Völlig idiotisch im nachhinein. Er kam nach Los Angeles und war so merkwürdig ruhig. Er war nicht be trunken und auch nicht stoned. Ich glaube, das hat mir am meisten angst gemacht.
Wir haben ihn reingelassen. Ich hätte nie gedacht, daß er ...na ja, er marschierte einfach auf Tara los und sagte kein Wort und schlug sie in den Magen, so fest er nur konnte. Ned war ein großer Mann, wissen Sie, gut eins achtzig, zwei Zentner. Dann stand er über ihr und sagte, er bringt sie um, wenn sie mich je wieder versteckt oder mir hilft oder die Poli zei ruft.
Und mich auch. Er bringt mich ebenfalls um, wenn ich die Polizei rufe. Ich glaubte ihm das auch. Ich hatte keinerlei Zweifel. Er packte mich bei den Haaren und am Arm und zerrte mich ins Auto und fuhr die ganze Nacht über zurück und ließ mich nicht aufs Klo gehen. Als wir dann zu Hause angekommen waren, schlug
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