Das Urteil
ab.
»Lieutenant Batiste, der damals die Ermittlungen anläßlich des Todes von Ned Hollis durchführte, ist als Zeuge benannt.«
»Ist das derselbe Lieutenant Batiste, der vor neun Jahren keinen Grund sah, Mrs. Witt wegen Mordes zu verhaften, weil es wahrscheinlich nicht genügend Beweise gab, um Anklage zu erheben?«
Powell fuhr sich mit den Händen durchs Haar. »Wir haben noch mehrere andere Zeugen, Euer Ehren.«
»Davon bin ich überzeugt, aber wird irgendeiner der Zeugen etwas aussagen, das auch nur entfernt zulässig sein könnte? Sie kennen das Gesetz so gut wie ich, sagen Sie mir es.«
Powell, der eben seinen schlimmsten Alptraum durchlebte, stand zum drittenmal auf. »Euer Ehren, nach reichlicher Überlegung und mit einigem Kostenaufwand hat sich die Staatsanwaltschaft dazu durchgerungen, die Leiche von Ned Hollis exhumieren und auf Gifte hin untersuchen zu lassen. Wir haben Atropin, das keine in der Drogenszene gängige Droge ist, in tödlicher Dosis gefunden.«
»Euer Ehren«, fuhr Freeman dazwischen, »der Zeuge der Anklage sagt aus, daß Hollis mit Drogen experimentiert hat. Er wollte einfach sehen, ob Atropin ihn high macht, weiter nichts.«
Villars ignorierte, daß Freeman Powell unterbrochen hatte, sah den Staatsanwalt unverwandt an. »Wie Sie wissen, Mr. Powell, ist der Punkt nicht, ob Sie daran glauben - was Sie meiner Meinung nach tun -, sondern ob Sie beweisen können - über jeden berechtigten Zweifel hinaus -, daß Ned Hollis ermordet worden ist. Nun, was ich bislang sehe, ist eine Versicherungspolice, die für ihren ursprünglichen Zweck Verwendung fand, nämlich zur Tilgung der Hypothek. Ich sehe ferner jemanden aus der Drogenszene, der mit einer gefährlichen Droge experimentiert. Und hier stehen Sie und schwafeln von ihrem Motiv - falls Mrs. Witt ihren Mann nicht wegen Geldes umgebracht hat, dann hat sie ihn eben umgebracht, weil er sie mißhandelt hat. Haben Sie irgendwelche Atteste von Ärzten, die diese Mißhandlungen belegen? Hat sie so etwas jemals bei der Polizei gemeldet?«
An diesem Punkt wußte Powell nichts mehr zu sagen.
Villars nickte und verschränkte die Arme, ging hinter ihren Schreibtisch und blieb dort einen Augenblick lang stehen. Alle warteten ab. Der Regen trommelte ans Fenster, und das Klicken der Tasten der Gerichtsstenographin verstummte. Villars beugte sich über ihren Sessel und hob vier oder fünf mit einer Klammer zusammengeheftete Seiten eines juristischen Schriftsatzes hoch, ließ sie wieder fallen.
Sie schüttelte den Kopf und betrachtete die ganze Versammlung. »Ich brauche einen Moment, um mir die ganze Situation noch einmal zu überlegen. Bitte kommen Sie alle in einer Viertelstunde erneut in mein Zimmer.«
Als sie wieder im Zimmer der Richterin versammelt waren, teilte Villars Freeman und Hardy mit, daß sie bereit sei, das ganze Verfahren bezüglich Ned Hollis einzustellen, sofern sie dies wünschten. Natürlich konnte - und würde - Jennifer in diesem Fall nur wegen der Morde an Larry und Matt Witt erneut der Prozeß gemacht werden.
Ganz offensichtlich war die Jury jetzt voreingenommen -die Geschworenen hatten gehört, daß zumindest der Staatsanwalt der Ansicht war, daß Jennifer ihren ersten Ehemann umgebracht hätte. Und ebenso offensichtlich mußten die Geschworenen einen schlechten Eindruck von Powell bekommen haben, der eine Anklage vorbrachte, an die »kein vernünftiger Geschworener« glauben konnte.
Freeman und Hardy überlegten hin und her, wer größeren Schaden genommen habe - die Anklage oder die Verteidigung. Letzten Endes war es allerdings Jennifer, die die Entscheidung traf - sie hatte keine Lust, weiter in U-Haft zu sitzen, während das Gericht einen neuen Prozeßtermin festsetzte und alles noch einmal von vorne anfing.
Sie brachten ihre Argumente vor Villars zu Protokoll.
»Euer Ehren«, sagte Freeman, »meines Erachtens liegen die Ursachen für die Niederschlagung des Verfahrens in Verfehlungen seitens der Strafverfolgung, wodurch die Rechte meiner Mandantin auf eine zügige Prozeßabwicklung verletzt worden sind. Meines Erachtens muß der gesamte Prozeß abgewiesen und jegliche zukünftige Strafverfolgung ausgeschlossen werden, weil man Mrs. Witt bereits einmal in gleicher Sache vor Gericht gestellt hat.«
Das gefiel Villars ganz und gar nicht. »Kein schlechter Versuch, Mr. Freeman. Beantragen Sie nun eine Verfahrenseinstellung oder nicht? Wenn Sie dies beantragen, läßt sich erneut ein Verfahren gegen die Angeklagte
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