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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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er mich, weil das Auto schmutzig war, und ich mußte es saubermachen.
    Es klingt komisch, aber die ganze Zeit versuchten wir, ein normales Leben zu führen. Ich meine, ich hab bei Harlan ge arbeitet, ich war Empfangsdame und dachte mir, daß ich es eines Tages bis zur Zahnarzthelferin bringe - ach, das wußten Sie nicht? Ja, so fing es an. Ich hab es nicht geplant, untreu zu werden. Das war nicht mein Ding, dachte ich. Aber mit Ned ging alles vor die Hunde, und Harlan war sehr nett zu mir. Sanft. Also war es leicht, die Beziehung geheimzuhalten. Es war ja nicht so, daß ich mich nachts wegschleichen mußte. Ich meine, wir haben einfach in der Mittagspause die Türen abge schlossen.
    Und dann, nachdem wir miteinander geschlafen hatten, sah er die ... sah er, was Ned angerichtet hatte, und sagte, ich solle es anzeigen, die Polizei anrufen, irgendwas unternehmen. Ich hab immer zu ihm gesagt, daß Ned nichts damit zu tun hatte. Es waren Unfälle, weiter nichts.
    Na ja, Sie haben ja Harlan gesehen. Er ist der Ansicht, man tut alles, was von einem erwartet wird, und dann klappt es schon irgendwie. Also denk ich zuletzt, daß ich mich in ihn verliebt habe - in Harlan. Ich weiß, er ist jetzt fett, aber da mals war er einfach groß. Ich hatte schon immer diese Schwäche für große Männer.
    Also beschließe ich, daß ich abwarte, bis Ned nicht betrun ken oder stoned ist und dann versuche, mit ihm zu reden, ihm sage, daß ich unglücklich bin und es nicht ertrage, daß er mich weiter schlägt, und weggehen werde. Von Harlan sag ich natürlich kein Wort. Gott sei Dank. Ich sage zu ihm, es gibt keinen anderen Mann, niemanden sonst. Darum geht es nicht. Es liegt einfach an ihm und mir, daß es nicht klappt mit uns beiden.
    Ich hab mir dabei gedacht, daß seine Reaktion anders aus fallen wird, wenn ich nicht wegrenne, wenn ich vernünftig bin.
    Was auch stimmte. Er sitzt ungefähr eine Stunde lang in seinem Sessel und dann - wieder echte Ruhe, was eine War nung hätte sein sollen - sagt er, daß er ein bißchen ausgeht und über alles nachdenkt.
    Um Mitternacht ist er noch nicht zu Hause, und zuletzt bin ich eingeschlafen.
    Ich wache schreiend auf, aber es steckt eine Socke oder ir gendwas in meinem Mund, und ich bekomme keine Luft mehr, bringe kein Geräusch heraus, und da ist dieser schreck liche, schreckliche Schmerz da unten ...da unten in mir drin ... und Ned ist auf mir drauf, drückt mich nach unten.
    Am nächsten Tag kann ich mich nicht vom Fleck rühren. Mein Inneres fühlt sich völlig zerschlagen an, zerfetzt, ich kriege immer noch keine Luft, es klebt Blut an den Laken, und meine Hände sind am Bett festgebunden. Ich sehe, daß mein Kleiderschrank offensteht und die Hälfte der Kleider heraus gezerrt und in Stücke geschnitten ist, ringsum am Boden verstreut liegt. Auf dem Fußboden sehe ich das Messer – ein Buttermesser-, er hat das stumpfe Ende benutzt, um damit in mir herumzustochern.
    Ich wache wieder auf, und da ist er und bindet mich los, ist wieder nüchtern. Hilft mir ins Bad. Jetzt habe ich dauernd eine Heidenangst. Er ist ganz ruhig und sagt, daß er Dinge spurlos verschwinden lassen kann. Ich werde schon noch merken, daß das die Wahrheit ist, sagt er.
    Also nehme ich mir einen Tag frei - ich hätte sowieso nicht zur Arbeit gehen können -, und dann kommt das Wochenende und einer dieser Abende, an denen Ned sich ein bißchen Koks besorgt hat, und er will, daß ich mich mit ihm volldröhne. Wir werden uns amüsieren, sagt er. Es wird sein wie früher. Was heißt wie früher? Ich habe noch nie Drogen genommen.
    Na ja, ich packe es nicht. Ich hab solch eine Heidenangst, mir tut immer noch alles entsetzlich weh. Ned kriegt wieder eine Stinkwut auf mich - ich muß dem ein Ende machen. Mir reicht's jetzt im Moment vollauf, also versuche ich nett zu sein und zu tun, was er will, und er will mit mir vögeln.
    Können Sie sich das vorstellen? Ich flehe ihn an, sage, daß ich ganz schreckliche Schmerzen habe, aber er sagt, na und, ich bin seine Frau, mach die Beine breit. Und ich tu's. Und ich bin mir in dem Moment nicht sicher, ob ich nicht sterben muß.
    Aber ich tu's nicht. Das ist das Schlimmste, daß man nicht stirbt. Wissen Sie, wie oft ich mir gewünscht habe, daß ich einfach damals gestorben wäre? Wie oft sonst noch? Ich meine, wirklich sterben, nicht mehr aufwachen und einfach weg von alldem sein. Und glauben Sie mir, wenn man das einmal fühlt - daß man wirklich sterben will -, dann dauert es nicht

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