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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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daß David so viele »andere Typen« wie nur möglich aus dem Hut zaubern konnte.
    Nicht daß Hardys Joggerin - strenggenommen - ein anderer Typ war. Oder auch nur eine Typin. Hardy hatte andere Pläne mit ihr - Freeman würde nicht versuchen, sie als mögliche Mordverdächtige auszugeben. Aber er konnte sie möglicherweise dazu benutzen, die fatale Aussage von Anthony Alvarez, dem Nachbarn von gegenüber, in Mißkredit zu bringen. Wie sah die ganze Sache denn aus, wenn er an jenem Morgen die Phantom-Joggerin - und nicht etwa Jennifer - an der Haustür gesehen hatte? Und Jennifer daher nicht im Haus gewesen sein konnte. Falls irgendein Zweifel an der Identifizierung Jennifers durch Alvarez in die Köpfe der Jurymitglieder gesät werden konnte, war die Joggerin es wert, als Zeugin angehört zu werden.
    Kurz nach Sonnenaufgang saß er zusammengekauert hinter dem Lenkrad seines Honda und schlürfte ein wenig Kaffee aus der Thermosflasche. Dabei wurde ihm klar, daß er in der vergangenen Woche, während der Mord an Ned Hollis im Brennpunkt des Prozesses stand, Dossiers über Tom DiStephano und die Familie Roman hätte vorbereiten sollen, falls Freeman sie als Zeugen der Verteidigung aufrufen wollte.
    Aber Tatsache war, daß Hardy nicht mehr mit Tom DiStephano gesprochen hatte, seit er vor einigen Monaten Von ihm und dessen Vater bedroht worden war, und Glitsky schien nicht besonders daran interessiert gewesen zu sein, für den 28. Dezember ein Alibi für die Eltern Roman zu finden. Glitsky war zwar sein Freund, aber in erster Linie war er Polizist, und dazu ein vielbeschäftigter Polizist mit anderen Prioritäten. Als es so früh zur Einstellung des Verfahrens wegen des Mordes an Ned kam, war Hardy klar geworden, daß ihm verdammt wenig Zeit blieb und er weitaus mehr Material auftun mußte, wenn Freeman in der Lage sein sollte, die Informationen, die Hardy über diese Leute gesammelt hatte, auch wirklich zu benutzen.
    Er mußte also Abe erneut auf den Pelz rücken - und zusehen, ob er ihn dazu bringen konnte, bezüglich der Eltern Roman etwas zu unternehmen, und er wußte, daß das vielleicht gar nicht möglich war. Außerdem stolperte er über den Namen Jody Bachman, und dabei fiel ihm ein, daß der Anwalt aus Los Angeles sich wegen Crane & Crane und der YBMG nicht wieder bei ihm gemeldet hatte. Es ging darum, alle diese Felder noch einmal zu beackern, bevor die Verteidigung ernsthaft mit ihrem Sachvortrag begann.
    Gestern, am Montag, war die Verhandlung nicht wiede aufgenommen worden. Villars hatte die Nase offenbar gestrichen voll von David Freemans Budenzauber für die Ge schworenen und die Zuhörer und hatte ihm - nichtöffentlich - nach wiederholten Verwarnungen im Protokoll wegen Mißachtung des Gerichts eine Geldstrafe von fünfhundert Dollar verpaßt. Freeman kannte die Regeln so gut wie jeder andere auch, und wenn er sich weiterhin nicht daran halten sollte, würde die Sache für ihn im Handumdrehen ziemlich teuer werden.
    Zu diesem Zeitpunkt war es bereits spät am Nachmittag gewesen, und Villars hatte den Justizwachtmeister losgeschickt, um die Jury für den Rest des Tages nach Hause zu schicken. Auf dem Weg in den Gerichtssaal hatte der Wa cht meister in dem Zimmer haltgemacht, wo Hardy und Jennifer gerade miteinander sprachen, und ihnen mitgeteilt, was ge schehen war - Hardy hatte den Wink kapiert und sich ver drückt.
    Er hatte an der Ecke geparkt, damit er die Stelle einsehen konnte, wo die Joggerin das letzte Mal zwischen den Bäumen erschienen war. Als er gerade eine der Vernehmungen von Florence Barbieto durch Walter Terrell noch einmal durchging und aufs Papier blickte, hätte er sie beinahe verpaßt, als sie wieder auftauchte.
    Er warf seine Aufzeichnungen auf den Beifahrersitz und ließ den Motor noch eben rechtzeitig an. Richtig, sie lief die selbe Strecke, bog um die Ecke in Jennifers Straße hinein, schnell wie der Wind. Hardy fuhr quer über die Straße, in die Auffahrt zum Haus der Witts und schnitt ihr den Weg ab.
    Er öffnete die Fahrertür, stieg aus und sah sie über das Autodach hinweg mit einem Lächeln an. »Da bin ich wieder.« Heute trug sie kastanienbraune Shorts und ein T-Shirt vom Bostoner Marathon, ein kastanienbraunes Stirnband und die Spraydose mit Tränengas. Keuchend schaute sie Hardy an, schloß kurz die Augen, öffnete sie wieder. »Was ist los mit Ihnen?« fragte sie und schnappte nach Luft. »Warum lassen Sie mich nicht in Ruhe?« Er hatte wirklich nicht die Absicht, dieser

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