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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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die Jury mit in sein Erschrecken angesichts dieser überraschenden neuen Entwicklung ein.
    Powell stand auf. »Euer Ehren, die Staatsanwaltschaft wird Mr. Parmentier aufrufen und zu den Details befragen, wie und wo er die Mordwaffe gefunden hat. Mrs. Farek ist die Expertin für Fingerabdrücke.«
    Villars nickte mit ausdrucksloser Miene. »Bleiben Sie bei dem, was wichtig ist, Mr. Freeman.«
    »Na schön. Fingerabdrücke.« Freeman schloß erneut die Jury mit ein, diesmal in seine Enttäuschung. Er schätzte, daß sie nun ebenfalls abwarten mußten, um das herauszufinden, was sie alle über den Mülkontainer wissen wollten. Nun, es war nicht sein Fehler. Er versuchte ja, den Geschworenen zu helfen, aber die Richterin und der Anklagevertreter zeigten sich nicht kooperativ. Er wandte sich also wieder der Zeugin zu und war die Sanftheit in Person. »Wie lange halten sich Fingerabdrücke, Mrs. Farek?«
    Die Zeugin runzelte die Stirn. »Sie können sich lange halten.«
    »Lange? Einen Monat? Ein Jahr?«
    »Ja. Ohne weiteres.«
    »Und wie alt waren die Fingerabdrücke von Jennifer Witt, die Sie auf den Patronenhülsen und dem Magazin gefunden haben?«
    »Keine Ahnung. Das läßt sich nicht feststellen.«
    »Man kann sie nicht auf den Eintrocknungsgrad der Abdrücke untersuchen, nichts dergleichen?«
    »Nein. Fingerabdrücke basieren auf einem Ölfilm. Sie trocknen also in diesem Sinne nicht aus.«
    »Also hätte sie die Patronen und das Magazin zu beinahe jedem beliebigen Zeitpunkt anfassen können?«
    »Ja.«
    »Nicht notwendigerweise am Tag, als die Schüsse fielen, oder auch nur in der Nähe dieses Zeitpunkts?«
    Powell erhob sich wieder von seinem Platz. »Sie hat das bereits beantwortet, Euer Ehren.«
    Freeman meldete sich unverzüglich zu Wort. »Allerdings.« Und er strahlte übers ganze Gesicht, als habe er ein Argument ins Feld geführt, das ihm seit Wochen Kopfzerbrechen gemacht hatte. »Keine weiteren Fragen.«
    Trotz der Vorankündigung wußte Sid Parmentier, der Mann, der die Pistole gefunden hatte, weder etwas Neues noch etwas Überraschendes zu der Waffe oder dem Müllcontainer zu sagen. Trotzdem entsprach es nicht Freemans Naturell, selbst eine neutrale Zeugenaussage auf sich beruhen zu lassen. Er mußte wohl das Gefühl gehabt haben, daß er bereits seine Quote erfüllt hatte, als er darauf verzichtete, Strout ins Kreuzverhör zu nehmen, denn er sprang sofort auf, als Powell seine Befragung abgeschlossen hatte.
    Mr. Parmentier war stämmig und hatte einen tiefgezogenen Haaransatz wie ein Neandertaler. Sein schwarzes Sakko war speckig. Das bretthart gestärkte Hemd war zu eng, und die schwarze Krawatte, an der er andauernd herumzupfte, offenbar ebenso.
    Freeman, dem jedermann sofort sympathisch war, der einen vergleichbaren Kleidergeschmack hatte, stand entspannt und mit den Händen in der Hosentasche nahe beim Zeugenstand. »Sir, haben Sie zu irgendeinem Zeitpunkt die Angeklagte, Jennifer Witt« - er zeigte der Wirkung halber auf sie -, »bei dem Müllcontainer oder in seiner Nähe gesehen?«
    »Nein.«
    »Haben Sie gesehen, daß sie etwas in den Container geworfen hat?«
    Powell hob die Hand. »Gefragt und beantwortet, Euer Ehren.«
    Villars gab dem Einspruch statt, aber Freeman war noch nicht losgeworden, was er sagen wollte, oder er hatte noch eine andere Karte im Ärmel. Hardy vermutete letzteres. »Euer Ehren, es lohnt die Wiederholung.«
    »Ich bin sicher, die Geschworenen haben es beim ersten Mal gehört, Mr. Freeman. Wenn Mr. Parmentier Mrs. Witt nicht bei dem Container und auch nicht in seiner Nähe gesehen hat, dann ergibt sich doch logischerweise daraus, daß er nicht gesehen hat, wie sie etwas hineingeworfen hat, oder etwa nicht?«
    Freeman nickte stumm, augenscheinlich tief in Gedanken versunken. Er drehte sich halb zum Tisch der Verteidigung um, dachte noch ein wenig nach, sah dann die Geschworenen an.
    Villars duldete das nicht. »Mr. Freeman, wollen Sie den Zeugen entlassen? Lassen Sie diese Mätzchen.«
    Zerknirscht und ganz aufrichtig entschuldigte sich Freeman - völlig in Gedanken verloren, als hätte er ganz vergessen, wo er sich in diesem Augenblick befand. »Es kam mir nur eben in den Sinn, Euer Ehren, daß diese Zeugenaussage in die gleiche Kategorie fällt, zu der Sie in einem früheren Teil des Verfah rens eine Entscheidung gefällt haben.«
    Niemand im Gerichtssaal - weder Hardy noch Powell noch die Geschworenen noch Villars - wußte, worauf der alte Fuchs hinauswollte, und er

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