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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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schadete, einen Schritt rückwärts zu gehen und in die Richtung zu schauen, in der man die Sache weitertrieb. Durch eine andere Perspektive kam manchmal viel mehr heraus.
    Ursprünglich hatte er geplant, sofort weiterzumachen und mit Jennifer zu reden, doch am Montag morgen, als er sich infolge des guten Essens und der schlichten Schönheit der Küste im Norden - obwohl er nicht viel geschlafen hatte - ansatzweise erholt hatte, merkte er, daß er irgendwann während des Wochenendes beschlossen hatte, Ken Lightner aufzusuchen.
    Lightner war von Anfang an zwar nicht unbedingt ein Dorn gewesen, hatte aber sehr wohl ständige Präsenz gezeigt - er war jedenfalls weitaus mehr in die Sache verwickelt, als Hardy anfänglich vermutet hatte, und er wollte dem, falls irgend möglich, nun auf den Grund gehen. Nicht nur das, er beschäftigte sich auch noch einmal mit dem Thema BWS - er hatte das Gefühl, er mußte es einfach tun. Die Jury hatte zwar entschieden, daß Jennifer Larry und Matt umgebracht hatte, doch er glaubte, die Geschworenen davon überzeugen zu können, daß Jennifer keine kaltblütige Mörderin war und die Hinrichtung verdient hatte, wenn sie erfuhren, wie oft und/oder wie brutal sie verprügelt worden war.
    Es war einen Versuch wert. Andere Möglichkeiten hatte er ohnehin nicht viele.
    Lightner hatte sich erfreut, vielleicht sogar erleichtert angehört, als Hardy sich meldete. Möglicherweise hatte er den Eindruck gewonnen, er würde geschnitten, nachdem die angebliche Affäre ans Licht gekommen war und Hardy und Freeman ihn nicht in den Zeugenstand rufen wollten, weil es aufgrund seiner Beziehung zu Jennifer den Anschein haben könnte, daß sie einen weiteren Grund hätte, ihren Ehemann loszuwerden.
    Lightners Praxis befand sich gegenüber von Stern Grove in einem großen, teils privat, teils gewerblich genutzten Appartementkomplex, der - geschickterweise - The Grove, Der Hain, genannt wurde. Es war ein aus Glas und braunen Holzschindeln erbauter Neubau, der von Bäumen umgeben war, und an diesem Morgen stand eine unverhältnismäßig große Anzahl hochkarätiger deutscher Automobile auf dem Parkplatz. Die Miete war hier bestimmt nicht niedrig.
    Trotz der Morgensonne war der Herbst zu spüren. Nachdem er geparkt hatte, blieb Hardy einen Augenblick am Auto stehen, ganz im Bann des Geruchs nach Eukalyptus und verbranntem Holz, auch wenn es ihm ein Rätsel war, wo der Rauch herkam. Niemand durfte mehr irgend etwas unter freiem Himmel verbrennen - es war illegal.
    Lightners Praxis schien den größten Teil eines der Anbautrakte in der hinteren Ecke einzunehmen. Hardy klingelte, wartete, wurde per elektrischem Türöffner eingelassen. Er ging einen langen, in gedämpften Farben gestrichenen Flur entlang. Sechs oder acht abstrakte Sachen hingen in Rahmen an den Wänden - Kunstwerke?
    Lightners massige Gestalt tauchte im Licht am Ende des Flurs auf. »Mr. Hardy«, sagte er. »Willkommen.«
    Sie schüttelten einander die Hand, und Hardy wurde Helga, Lightners Sekretärin, vorgestellt. Der Anmeldungsbereich war größer als unbedingt notwendig und dennoch irgendwie gemütlich. Die beiden Sofas waren allzu weich gepolstert. Ferner gab es einen bequemen Sessel, und eine Ottomane in grellem Orange, Blau und Schwarz brachte als einziger Gegenstand Helligkeit in den Raum. Helga selbst - sie zog es vor, so sagte sie, wenn man sie Helga statt Ms. oder Miss Brun nannte - war um die Vierzig und trug keine Ringe. Sie saß an einem niedrigen schwarzen Schreibtisch, dessen Oberfläche bis auf eine grüne Schreibunterlage aus Filz leer war. Auf einem niedrigen Regal standen eine Schreibmaschine - es gab keinen Computer - und gleich da neben das, was Hardy für ein Geschäftstelefon mit sechs Nebenstellen und eingebauter Gegensprechanlage hielt. Helga fragte, ob die Herren gerne eine Tasse Kaffee trinken wollten, und beide bejahten es.
    Lightner ging zu seinem Sprechzimmer vor, einem Raum, der kleiner, aber auch gemütlicher war als der Empfangsbereich. Zum einen war er nicht in Pastelltönen gehalten. Der Raum, in dem Grüntöne, Leder, geschnittenes Holz und Glas dominierten, strahlte Ruhe aus, die Fenster gingen auf einen der älteren Haine hinaus, Sonnenlicht schien durch die Zweige. Hardy vermied die Couch und setzte sich in einen der beiden Ledersessel. Lightner ließ d i e Tür zu Helgas Bereich offen und nahm auf einem Stuhl in der Nähe der Tür Platz.
    » Ich will gleich zur Sache kommen«, begann Hardy. »Sie sind eine

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