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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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Knie. »Wie stellt sich die ganze Sache Ihrer persönlichen Meinung nach dar, Herr Doktor?«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Ich meine, was sagt Ihnen Ihr Gefühl?«
    »Ich glaube ihr, Mr. Hardy. Aber wie ich schon gesagt habe, falls sie es getan hat, ist sie dazu getrieben worden. Das ist keine leichtfertige Verteidigung, wissen Sie.« Er setzte Tasse und Untertasse auf dem Tischchen neben sich ab, wandte sich nun voll und ganz Hardy zu und beugte sich mit gefalteten Händen nach vorn. »Ich habe das schon die ganze Zeit gesagt - ich habe Mr. Freemans Konzept nie verstanden ...«
    »Er hat sich, was die Mißhandlungen angeht, dem Wunsch seiner Mandantin gefügt, dasselbe würden Sie ebenfalls tun.« Hardy hatte keine Lust sich anzuhören, wie Lightner irgend-wen kritisierte. Sein Urteilsvermögen war schließlich alles andere als vorbildlich.
    »Tatsache jedenfalls bleibt, daß er den Prozeß verloren hat. Und Jennifer auch.« Er hob eine Hand. »Meiner Ansicht nach hätte er verschiedene Zeugen aufrufen können - mich selbst inbegriffen -, die wenigstens erste Zweifel gesät haben könnten. Haben Sie denn Jennifers frühere Ärzte aufgesucht?« Als Hardy nickte, fuhr er fort. »Gut, dann wissen Sie also, daß sie mißhandelt wurde. Und es gab noch mehr Leute, Leute, mit denen ich gesprochen habe - ihre eigene Mutter beispielsweise. Die, wie Sie vielleicht wissen, ihrerseits mißhandelt wurde. Sogar Helga hat Jennifer gesehen, wie sie hier hereinkam, unter großen Schmerzen und humpelnd. Es war eine klassische Situation - Larry Witt war buchstäblich dabei, sie totzuschlagen.«
    »Aber Jennifer hat Freeman darum gebeten - ihm befohlen, - das nicht aufs Tablett zu bringen.«
    »Er hätte sich darüber hinwegsetzen müssen. Er ist der Anwalt. Seine Aufgabe war es, sie freizubekommen, nicht zuzulassen, daß sie verurteilt wird. Sie ist ein Opfer, Mr. Hardy.«
    Hardy hob die Stimme. »Sie hätte ihn gefeuert, verstehen Sie das denn nicht?«
    Lightner lehnte sich zurück und verzog das Gesicht: »Und wieso das?«
    »Wenn sie zugibt, daß sie geschlagen wurde, ist das für sie dasselbe, als wenn sie zugibt, Larry umgebracht zu haben. Und wenn sie Larry umgebracht hat, dann gibt sie zu, daß sie Matt umgebracht hat.«
    »Warum muß sie überhaupt etwas zugeben?« fragte Light ner. »Sie können doch all diese Leute als Zeugen vorladen, oder etwa nicht? Bringen Sie sie dazu, über das zu reden, was sie bei Jennifer gesehen haben. Vielleicht noch nicht einmal etwas Explizites zu Larry. Ich könnte als Sachverständiger aussagen -ich habe das bereits gemacht. Diese Art von Verleugnung ist nicht unüblich. Ich müßte nicht über konkrete Dinge reden, die Jennifer mir gesagt hat. Ich würde einzig und allein das Syndrom der mißhandelten Ehefrau erörtern und die Geschworenen dann selbst die Verbindung herstellen lassen.«
    »Daß sie Larry umgebracht hat, weil er sie geschlagen hat?«
    »Die Jury hat sie doch bereits schuldig gesprochen -schlimmer kann es nicht kommen, und vielleicht hilft es ja. Führen Sie der Jury vor Augen, was Jennifer alles durchgemacht hat. Das könnte wenigstens ein bißchen Mitgefühl auslösen. Mr. Hardy, diese Frau hat ihr ganzes Leben lang nichts anderes getan als zu leiden. Vielleicht können Sie diesen Teufelskreis durchbrechen.« Lightner schüttelte den Kopf. »Mein Gott, was für ein Affenzirkus.« »Allerdings«, sagte Hardy.
    Lightner begleitete ihn hinaus zum Auto. Als Hardy die Tür aufmachte, griff Lightner in seine Brieftasche und zog eine Visitenkarte hervor. »Ich werde heute mit ihr reden, genau wie sonst auch, aber ich möchte, daß Sie mich jederzeit anrufen, falls Sie glauben, daß ich Ihnen behilflich sein kann, falls wir sie vielleicht gemeinsam aufsuchen wollen und ich versuchen kann, sie davon zu überzeugen, sich auf eine Verteidigungsstrategie einzulassen, was auch immer. Ich bin immer hier.«
    »Fahren Sie denn nicht nach Hause?«
    Lightner lächelte gequält. »Meine Ex-Frau und die Kinder haben das Haus. Ich habe eine Kammer hinter der Praxis« - er wies zurück auf das Gebäude - »Schlafzimmer, Küche und alles, was ich sonst noch behalten konnte. Aber es geht schon in Ordnung, ich komme ganz gut klar. Analytiker haben bekanntlich eine sehr hohe Scheidungsrate. Wir kommen oft besser mit dem Leben anderer Leute zurecht als mit unserem eigenen.«
    »Mr. Hardy?« Phyllis auf der Gegensprechanlage. »Hier unten ist Emmett Kelly, der Sie sehen möchte.«
    Hardy schob lächelnd

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