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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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die Akten zur Seite. »Schicken Sie ihn rauf.«
    Eine Minute später füllte Abe Glitskys Figur den Türrahmen aus. »Ich konnte einfach nicht widerstehen«, sagte er. Er ging durch den Raum zum Fenster und warf einen Blick hinunter auf die Sutter Street, drehte sich dann um, ließ sich halb über die Couch fallen und legte den Kopf auf die Armlehne. »Ich glaube, ich werde mir heute nachmittag freinehmen und ein Nickerchen machen. Ein Nickerchen ist bei Beamten in der Mordkommission eine seltene Angelegenheit. Ich sollte eine Studie darüber schreiben.«
    »Das solltest du«, stimmte Hardy zu. »Aber in der Zwischen zeit ...«
    Glitsky setzte sich auf. »In der Zwischenzeit habe ich deinetwegen wieder mal den Idioten gespielt, obwohl mir am Freitag klar wurde, daß das Kind in den Brunnen gefallen ist Ich dachte, ich sehe mal lieber zu, daß wir auf Nummer Sicher gehen, also bin ich los und bei der Familie Roman vorbeige fahren und hab ihnen gesagt, daß wir ein paar Akten schließen wollen.«
    »Und was hast du herausgefunden?« Glitsky setzte sein entsetzliches Grinsen auf, die Narbe auf seinen Lippen zog sich auseinander, in den Augen war kein Funken Freude zu sehen. »Ich hab herausgefunden, daß sie keinen blassen Schimmer haben, was einer oder alle beide am Montag nach Weihnachten im vergangenen Jahr gemacht haben - was für dich die schlechteste aller möglichen Neuigkeiten ist.« »Wieso?«
    »Weil«, Glitsky hielt belehrend einen Finger in die Höhe, »wenn sie sich die Zeit genommen hätten, um sich überhaupt schuldig zu fühlen und ein Alibi zu erfinden, dann glaube ich, daß sie sich daran erinnert und es mir aufgetischt hätten. Leute, die schuldig sind, machen so was nämlich. In diesem Fall aber haben die zwei sich schlicht verständnislos angesehen.« Glitsky stand auf. »Sie hatten keinen blassen Schimmer, Diz. Die Sache kannst du vergessen.«
    Mittlerweile waren derartige Neuigkeiten für Hardy keinerlei Überraschung mehr. »Na ja, wenigstens habe ich das Gefühl, alles abgecheckt zu haben.« Dann erinnerte er sich an die andere Sache, die er seinen Freund fragen wollte. »Du hast über unseren Besuch in der Bank damals einen Bericht geschrieben, stimmt's? Die Sache mit den drei Minuten.«
    Glitsky war zur Dartscheibe gegangen und kam nun, nachdem er Hardys fast perfektes Wurfbild abgenommen hatte, auf seinen Schreibtisch zu. »Klar. Ich war im Dienst. Ich dachte, Terrell könnte es gebrauchen. Warum?«
    Hardy zuckte die Schultern. »Nur damit ich Bescheid weiß.«
    Glitsky warf, und der erste Dart traf die Wand dreißig Zentimeter unterhalb der Scheibe. »Die sind aber schwer«, sagte e r. »Die Darts, die meine Kinder haben, fliegen ganz anders.«
    »Zwanzig Gramm.« Hardy zog eine Grimasse, als er das dumpfe Geräusch hörte, das Loch in der Wand sah. Ein weiterer Dart flog durch die Luft und traf die Wand oberhalb der Scheibe in einiger Entfernung. »Die sind aus Tungsten. Das sind ziemlich gute Darts.«
    Glitsky warf den letzten Dart. Er schrammte am unteren Rand der Scheibe vorbei, bevor er in der Wand steckenblieb. Der Inspector wandte sich zur Tür und blieb dort stehen. »Ich weiß nicht recht«, sagte er. »Ich glaube, sie sind vielleicht kaputt.« Dann war er fort.
    Er hatte den ersten Tag fast hinter sich und weitere vier Arbeitstage vor sich - Villars hatte allen Beteiligten eine Woche freigegeben, bevor die Prozeßphase zur Festsetzung des Strafmaßes begann. Hardy war dankbar für diese Vorbereitungszeit, doch der vermutliche Grund dafür stieß ihm sauer auf -Powell befand sich im Endspurt für seine Wahl, und allem Anschein nach hielt Villars ihm ein bißchen den Rücken frei.
    Er konnte das natürlich nicht beweisen, aber das verringerte sein Mißtrauen keineswegs.
    Freeman war nicht in der Kanzlei aufgetaucht, und das paßte Hardy gut in den Kram. Er hatte Freeman und seine Schauspielerei satt. Er hatte auch sich selbst satt, sein Dauergeschwafel - jedesmal hatte er angesichts der Bestimmtheit und Persönlichkeit des älteren Mannes einen Rückzieher gemacht. Ein halbes Dutzend Mal hätte er standhaft bleiben sollen. Hätte sagen müssen, das hier ist so und so, und entweder nehmen Sie es, wie es ist, oder Sie lassen es bleiben. Aber zum Teil hatte er eben glauben wollen, daß Freeman recht hatte und sich durchsetzen würde. Und zum Teil war es so, weil er, wenn Freeman gewann, nicht die Last auf sich nehmen mußte, Jennifers Leben zu retten. Er hatte sich so sehr gewünscht,

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