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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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seine einzige Chance - und sie war winzig -, um irgendeine andere Theorie für die Morde zu finden, darin bestand, alles, was die Jury bereits geklärt hatte, glasklar gelten zu lassen. Er wollte nicht versuchen, ihre Entscheidungen zu untergraben - er wollte den Geschworenen lediglich Alternativen geben, die sie bedenken konnten.
    Villars überlegte einen Augenblick. »Nur damit das klar ist. Fahren Sie fort«, sagte sie zu Hardy. Der Spruch war rätselhaft genug - Powell interpretierte ihn so, als hätte man seinem Einspruch nicht stattgegeben, und Hardy nahm sich ohnehin alles, was er kriegen konnte.
    Er nickte der Richterin zu, wandte sich dann erneut an die Jury. »Das Beweismaterial im ersten Teil des Verfahrens hat Sie davon überzeugt, daß Jennifer Witt über jeden berechtigten Zweifel hinaus schuldig ist. Aber jetzt sind Sie aufgefordert, ein Urteil über das Leben dieser Frau zu fällen, und dabei gilt ein anderer Maßstab - ein Fehler hierbei, der zur Hinrichtung der Angeklagten führt, kann nicht wieder behoben werden. Falls irgendwann in der Zukunft neue, entlastende oder zumindest strafmildernde Beweise auftauchen sollten, wäre es zu spät.
    Das Gesetz kennt ein Konzept, das man verbleibenden Zweifel nennt, die Richterin wird Ihnen dazu einige Anweisungen geben. Verbleibender Zweifel macht nicht ungeschehen, was Sie über jeden berechtigten Zweifel hinaus befunden haben, aber er erwägt sehr wohl eine Situation, wie wir sie jetzt vor uns haben. Obgleich Sie Jennifer für schuldig befunden haben« - Hardy dachte sich, er sollte dies am besten wiederholen, um die nachfolgende Unterscheidung zu verdeutlichen -, »lassen Sie uns einmal näher ansehen, was wir, wie selbst die Anklagevertretung einräumt, nicht haben, und weswegen jede und jeder einzelne von Ihnen, sofern Sie sich für die Todesstrafe entscheiden sollten, womöglich im Laufe der kommenden Jahre einige verbleibende Zweifel hegen könnte, die sehr ernst sind und Sie wohl nachhaltig verfolgen dürften.«
    Wie Powell hatte auch Hardy in der Mitte des Gerichtssaals angefangen, aber als er sich zunehmend entkrampfte, ging er näher auf die Bank der Geschworenen zu. Sie widmeten ihm ihre ungeteilte Aufmerksamkeit - dies war immerhin sein erster Auftritt als Sprecher vor ihnen, und man konnte getrost den Faktor Neugier einrechnen. Dennoch hatte Hardy den Eindruck, daß es um mehr ging - bis jetzt schien sein Eröffnungsplädoyer seine Wirkung nicht zu verfehlen.
    Hardy verlangsamte das Tempo und ging zu seinem Tisch, gab vor, einige Notizen zu Rate zu ziehen, trank einen Schluck Wasser. Er kehrte zu der Stelle zurück, wo er zu sprechen angefangen hatte. »Nummer eins, meine Damen und Herren, wir haben niemanden, der gesehen hat, daß Jennifer Witt jemanden erschossen hat. Niemanden. Nicht einen Zeugen. Wir haben einen Zeugen gehört, Mr. Alvarez, der aussagt, daß er Jennifer unmittelbar nach den Schüssen draußen vor ihrem Haus gesehen hat. Mrs. Barbieto hat ausgesagt, daß sie Jennifer im Inneren des Hauses schreien hörte, bevor die Schüsse fielen, aber keiner von den beiden war Augenzeuge bei den Schüssen selbst. Und, wenn ich Sie daran erinnern darf, so konnte Mrs. Barbieto nicht eindeutig sagen, exakt wie lange die Zeitspanne war, die zwischen dem Geschrei von Jennifer und den Schüssen gelegen hat, zudem ist durchaus denkbar ...« - obwohl die Geschworenen es offenbar vorgezogen hatten, dies bei ihren Überlegungen außer acht zu lassen -, »... daß Mr. Alvarez jemand anderen an jenem Morgen vor dem Haus der Witts gesehen hat und dachte, es sei Jennifer.«
    »Einspruch, Euer Ehren. Der Verteidiger erörtert die Beweislage.«
    »Ich erinnere die Jury an frühere Zeugenaussagen. Das ist alles, Euer Ehren.«
    »Dies hier ist keine Diskussion am runden Tisch, Mr. Hardy. Aber der Einspruch wird abgelehnt.«
    Also hatte er einen Punkt gewonnen und gleichzeitig eins auf den Hut bekommen. Villars mochte, wie sie für sich in Anspruch nahm, absolut fair sein, aber deswegen war es trotzdem kein Stückchen einfacher, mit ihr klarzukommen.
    »Danke sehr, Euer Ehren.« Er wandte sich wieder an die Geschworenen. »Was sonst noch läßt das Beweismaterial ohne Erklärung? Es stimmt, Jennifer standen nach Lage der Dinge fünf Millionen Dollar zu, mutmaßlich das Motiv, das ihr für die Morde unterstellt wurde. Aber falls das zutrifft -falls es ein minutiös geplanter Mord aus Gewinnsucht gewesen sein sollte -, wo bleibt der Beweis, daß sie es geplant

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