Das Urteil
hat? Worum ging der Streit, den Mrs. Barbieto angehört hat? Falls Jennifer ihren Mann umgebracht hat, könnte es vielleicht wegen dieses Streits gewesen sein? Geschah es in der Hitze des Gefechts ohne jede Vorberechnung? Kam ihr Matt tragischerweise einfach irgendwie in die Quere? Dies sind Fragen, auf die das Beweismaterial keine Antworten gibt. Es kann auch keine Antworten darauf geben.«
Er machte erneut eine Pause, ließ seine Worte einwirken. »Noch zwei abschließende Punkte, die ich Ihnen vor Augen führen möchte. Der erste ist dies: Daß Jennifer Witt gesagt hat und sagt, daß sie diese Verbrechen nicht begangen hat. Das mögen Sie als eigennützig abtun, aber sie blieb im Verlauf des ganzen Prozesses felsenfest bei ihrer Haltung, bei ihrem Standpunkt. Sie hat auf nicht schuldig plädiert und hat immer eisern daran festgehalten. Sie behauptet nicht, daß sie zeitweilig unzurechnungsfähig gewesen oder dazu gedrängt worden sei von Sachen, die außerhalb ihrer Kontrolle lagen, oder« -Hardy holte tief Luft - »versucht hätte, vor Mißhandlungen durch ihren Ehemann zu flüchten.« Er sprach rasch weiter. »Sie hätte all das vorbringen und darauf hoffen können, daß Sie sie, wenn überhaupt, nur eines geringeren Vergehens als Mord ersten Grades, ein Mord also, auf den die Todesstrafe steht, für schuldig befinden. Aber sie hat es nicht getan. Sie hat es zu keinem Moment getan. Kein Glockengeläute oder Geklingel, keine trickreichen Schachzüge der Verteidigung/ um ihr Leben zu retten, und glauben Sie mir, mein Kollege David Freeman kennt ein paar Tricks, die er aus dem Hut ziehen kann, wenn man ihn darum bittet.«
Hardy ging zurück zum Tisch der Verteidigung und trank erneut einen Schluck Wasser, brachte seine Gedanken neu zusammen. »Der letzte Punkt, meine Damen und Herren, betrifft einen entscheidenden Faktor, der bislang im Ablauf dieses Verfahrens noch nicht zur Sprache gekommen ist - und das ist die Tatsache, daß, weil ja niemand tatsächlich gesehen hat, wie Jennifer Larry und Matt Witt getötet hat, die Möglichkeit bestehen muß, daß jemand anders diese Taten begangen haben könnte.«
Powell stand schnell auf. »Euer Ehren, das Urteil ist bereits gefällt.«
Aber wiederum wurde sein Einspruch abgelehnt. Hardy argumentierte ja nicht mit logischer Unvereinbarkeit und im strikten Sinne auch nicht hypothetisch. Er durfte fortfahren, aber »seien Sie vorsichtig, Mr. Hardy. Sie bewegen sich auf einem dünnen Grat.«
Hardy nahm die Warnung der Richterin zur Kenntnis und wandte sich an die Jury. »Ich habe nicht die Absicht nachzuweisen, daß Ihr Urteil falsch ist. Sie haben lange und hart gearbeitet, um Ihre Entscheidung zu treffen, und ich respektiere Ihre Arbeit. Aber die Tatsache bleibt bestehen - es ist durchaus vorstellbar, daß jemand anders als Jennifer Grund gehabt hatte, Larry Witt zu töten, und es ist durchaus vorstellbar, daß jemand anderer als Jennifer dies getan hat. Im weiteren Verlauf dieses Abschnitts des Prozesses werden Sie also verschiedenes über Larry Witt zu hören bekommen - was für eine Sorte Mensch er war, was für Geschäfte er gemacht hat, mit was für Dingen er sich sonst noch beschäftigt hat. Ich denke, einige dieser Ausführungen sind überzeugend und könnten Sie vielleicht zu jenem verbleibenden Zweifel veranlassen, den ich eingangs erwähnt habe.«
Er hielt inne, holte Luft. »Meine Damen und Herren, eine letzte, schmerzliche Sache. Mr. Powell hat in seinem Eröffnungsplädoyer überaus ausführlich ...«
Powell duldete das nicht. »Einspruch. Das ist nicht die Zeit für eine Widerrede.«
Villars zögerte nicht. »Stattgegeben.« Sie wartete. Hardy hatte fast das Gefühl, sie wolle ihn herausfordern.
»Na schön«, sagte er und wandte sich zu den Geschwore nen, bezog sie außerhalb von Villars Blickwinkel in seine Ver ärgerung mit ein. »An dieser Stelle muß ich, muß ich ein paar Worte zum Tod von Matthew Witt sagen.« Erneut hielt er inne und diesmal nicht einfach um des dramatischen Effekts willen. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, daß man den tragischen Tod des Jungen, egal wie er vonstatten gegangen sein mochte, vor den Geschworenen in einem schiefen Licht dargestellt hatte. »Es ist bislang keinerlei Beweismaterial vorgelegt worden, noch wird solches vorgelegt werden, daß Jennifer Witt eine schlechte Mutter war, die ihr Kind mißhandelt hat. Glauben Sie mir, falls es Ärzte gäbe, die bezeugen könnten, daß Matthew Witt mißhandelt wurde,
Weitere Kostenlose Bücher