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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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Fenster in die verlassene Wachstation. »Ich mag Ihre Frau.«
    Hardy nickte und wünschte sich insgeheim, daß dies nicht zur Sprache gekommen wäre, obwohl er wußte, daß es passieren mußte. Vielleicht war das in Wahrheit noch ein Grund, warum er das Gefühl gehabt hatte, daß er Jennifer noch einmal besuchen und sich vergewissern mußte, daß die Verbindung zwischen ihr und Frannie nichts weiter zu bedeuten hatte. »Sie hat mir erzählt, daß sie beide sich nett unterhalten haben.«
    Jennifer zuckte die Achseln. »Ja, das haben wir. Es war nett.
    Vorwiegend belangloses Zeug unter Frauen, aber ich habe mich schon so lange mit niemandem mehr ganz normal unterhalten ...«
    »Ich dachte, Dr. Lightner hat sich jeden Tag mit Ihnen unter halten.«
    Er sah, daß sie erst einmal verarbeiten mußte, daß er das wußte. Es war nicht klar, was sie davon hielt. »Na ja, sicher ... Ken.«
    »Ich meine, redet er denn nicht ganz normal mit Ihnen?«
    Urplötzlich lächelte sie. Hardy dachte, daß er zu gerne einmal eine Unterhaltung mit ihr auf Video aufnehmen würde, um zu analysieren, wann dieses urplötzliche Lächeln auftauchte, doch er hatte beinahe Angst vor dem, was er dabei vielleicht herausfinden mochte. »Ken zählt nicht«, sagte sie. »Außerdem glaube ich nicht, daß für ihn irgendwer normal ist. Normal besitzt keinerlei Bedeutung für ihn. Es ist eine dieser Vokabeln aus dem Wörterbuch der Psychologen.«
    Hardy hatte bereits genug von diesem Jargon gehört, um zu wissen, was sie meinte, doch sie hatte ihm jetzt die Gelegenheit für weitere Fragen gegeben. »Was war denn in Costa Rica? Haben Sie denn da niemanden kennengelernt?«
    Sie sah ihn kurz an, dann wieder weg. »Nein. Ich hielt das für keine gute Idee.«
    »Was haben Sie also gemacht?«
    Erneut schien die verlassene Wachstation ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. Sie richtete ihre Antwort an das Fenster. »Die ersten Tage bin ich nur im Hotel geblieben. Dann bin ich zum Strand gegangen, hab ein paar Bücher gelesen.«
    Hardy könnte dies überprüfen, indem er sie nach den Buchtiteln fragte, aber es lag nicht in seiner Absicht, sie zu verhören. Wie die Tatsache ihrer Vergewaltigung würde alles, was ihr in Costa Rica widerfahren war, keine großen Auswirkungen auf das haben, was sie im letzten Dezember getan oder auch nicht getan hatte.
    »Habe ich Ihnen schon erzählt, daß ich mich mit Ihrer Mutter getroffen habe?« sagte er.
    »Sie hatten gesagt, daß Sie das vorhatten. Wie geht's ihr?«
    »Ihr ging's nicht gut, Jennifer. Ihr Vater hatte sie verprügelt.« Er hatte nicht den Eindruck, daß sie weitere Details wissen mußte. Er hatte den Anblick des grün und blau geschlagenen Körpers von Jennifers Mutter immer noch vor Augen.
    Jennifer sah auf die Tischplatte, hatte den Daumennagel an die Lippen gelegt.
    »Wie ich gehört habe, wird dies - diese Angewohnheit, handgreiflich zu werden - in Familien von einer Generation zur nächsten weitergereicht«, sagte er.
    Ihre Augen schauten auf, waren schmerzerfüllt. »Das haben wir doch schon alles durchgespielt.« Und wir werden es nicht noch einmal durchkauen, gab sie ihm zu verstehen. Sie klang mit einemmal munter, zackig und sonderbarerweise beinahe heiter. »Sonst noch was? Sie haben gesagt, daß Sie ein paar Fragen hätten.«
    Hardy holte seinen Notizblock aus der Aktenmappe. Gestern abend hatte er sich die Notizen von seinem Besuch in Jennifers Haus durchgesehen, die Fragen, die er sich damals aufgeschrieben hatte.
    Ja, sie hatte in den Monaten zwischen dem Mord und ihrer Verhaftung in dem Haus gewohnt, es aber nicht über sich gebracht, ins obere Stockwerk zu gehen. Sie war einmal ins Schlafzimmer gegangen, um ihre Anziehsachen und ein paar persönliche Kleinigkeiten zu holen, und die Erfahrung war derart schrecklich gewesen, daß sie seither nicht noch einmal einen Fuß dort hinein gesetzt hatte.
    »Wie haben Sie dann die Inventarliste für Terrell geschrieben?«
    »Tja, deswegen habe ich es ja verbockt«, sagte sie. »Unten fehlte nichts, mein Schmuck war noch vollzählig da. An die Pistole hab ich überhaupt nicht gedacht.« Sie hob eine Hand hoch. »Ich weiß. Ein schwerer Fehler.«
    Sie mochte bei anderer Gelegenheit nicht die Wahrheit sagen, dachte Hardy, doch dies war keine davon.
    »Gab es womöglich noch eine zweite Waffe?« fragte Hardy.
    »Was für eine zweite Waffe? Wo?«
    »Keine Ahnung. Irgendwo. Hatte Matt vielleicht eine Pistole? Eine Spielzeugpistole?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein.

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