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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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einen Überblick über die bisherigen medizinischen Behandlungen enthielt, dazu die Namen früherer behandelnder Ärzte, Allergien, die bislang erfolgten Operationen und so weiter. Hardy dachte einen Augenblick lang nach, faltete dann das Papier zusammen und steckte es in die Innentasche seines Jacketts.
    Jennifer in ihrem roten Trainingsanzug, mit den Handschellen und Fußfesseln, war die erste Computernummer, die aufgerufen wurde.
    Irgend etwas lag in der Luft. Richter Oscar Thomasino zeigte keinerlei Interesse an dem Computerausdruck, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag - seine Augen folgten Jennifer, als sie zu seiner Linken aus dem Saaleingang für die Justizwachtmeister hereinkam und vorwärtshinkte, bis sie das Podest im Zentrum des Gerichtssaals erreicht hatte, wo sie neben den beiden ihr zugeordneten Wachtmeistern stehenblieb.
    Freeman wartete bereits auf sie, wenngleich die Spannung zwischen den beiden beinahe mit Händen zu greifen war. Jennifer schielte hinter Freemans Rücken hinüber zu dem Platz, wo Hardy am Tisch der Verteidigung saß. Sie nickte ihm zu, und ihre Augen sahen dankbar drein oder zumindest erfreut, obwohl er überhaupt nicht sagen konnte, woran das liegen mochte - er hatte sie seit einer Woche nicht mehr gesehen.
    Außerdem war er sich nicht so ganz sicher, weshalb er heute gekommen war - dies war der zweite Anhörungstermin für Jennifer, und sie würde mit Sicherheit ihre bisherigen Einlassungen nicht abändern. Vielleicht, so hatte er scherzhaft zu Frannie gesagt, fehlte ihm etwas, wenn er nicht im Gerichtssaal saß. Jetzt fragte er sich, ob in der Aussage nicht ein Funken Wahrheit steckte.
    Das Ganze war als mehr oder weniger pro forma erfolgender Verwaltungsakt gedacht, der festlegte, wann Jennifers Verfahren beginnen würde oder genauer gesagt, wann das Verfahren der letztlich zuständigen Kammer zugeteilt wurde. Sobald der Vorsitzende Richter und der Gerichtssaal zugeteilt worden waren, was an einem der nächsten Montage bei einer weiteren Anhörung wie dieser erklärt würde, mochte es noch gut und gerne zwischen einem halben und einem Jahr dauern, bis der Prozeß tatsächlich losging.
    Aber Thomasino eröffnete das Spiel mit einem Effektball von der Richterbank. Richter verfügten über verschiedene Techniken, der Langeweile der ewig gleichen Routine Paroli zu bieten, und Hardy begriff allmählich, daß Thomasino den Tag gerne mit einem kleinen Drama eröffnete, bevor er sich ins Meer des Papierkrams stürzte. »Mr. Freeman, ist mit Ihrer Mandantin alles in Ordnung?« Er sah sie sich gründlich an -blaß, mager, das Haar ungleichmäßig abgesäbelt.
    Dean Powell, der dem Geschehen nur flüchtige Aufmerksamkeit geschenkt hatte, stand auf. »Euer Ehren, wir wollen einvernehmlich festhalten, daß Mrs. Witt womöglich während ihrer Inhaftierung in Costa Rica schlecht behandelt wurde. Sie...«
    Thomasino benutzte seinen Hammer. Alle im Gerichtssaal schreckten hoch. »Das Gericht hat seine Worte an Mr. Freeman gerichtet«, sagte er nachsichtig. »Soweit ich mich erinnere, konnte er beim letzten Mal, als wir so etwas verhandelten, für sich selbst sprechen.« Sein Gesichtsausdruck war streng, aber dahinter lag etwas beinahe Mutwilliges. »Mr. Freeman?«
    Sobald die Tür einen Spalt offenstand, entsprach es Freemans Naturell, unverzüglich seinen Fuß hineinzusetzen. »Euer Ehren, meine Mandantin ist schwer mißhandelt worden. Sie bedarf medizinischer Behandlung. Sie ist von all dem, was sie mitmachen mußte, derart eingeschüchtert, daß sie Angst hat, überhaupt etwas zu sagen. Ohne jeden Zweifel sind ihre Bürgerrechte verletzt worden. Die Staatsanwaltschaft hat mit der Art und Weise, wie sie den ganzen Auslieferungsprozeß in Angriff genommen hat, das anstehende Verfahren ad absurdum geführt.«
    »Hat diese angebliche Mißhandlung nicht in Costa Rica stattgefunden?«
    »Es lag an unserer Vorgehensweise. Das Ganze wäre nicht passiert, wenn wir nicht...«
    Thomasinos Anflug von guter Laune war dahin. »Das Ganze wäre nicht passiert, wenn Ihre Mandantin nicht aus unserem Gefängnis ausgebrochen und außer Landes geflohen wäre.«
    »Trotzdem, Euer Ehren...«
    »Trotzdem, Mr. Freeman, habe ich ein volles Programm vor mir und den Eindruck, daß die Klimaanlage wieder einmal Sperenzchen macht. Haben Sie etwas dagegen, wenn wir fortfahren?« Ganz offensichtlich hatte Freeman etwas dagegen -die ersten Worte seiner Widerrede waren schon unterwegs, als sich Thomasino im Sessel nach vorn

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