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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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da war dieses junge Mädchen, Melissa Roman, deren Eltern ihr klipp und klar gesagt haben, sie kann sich eine Abtreibung abschminken, sie ihr verboten haben, verstehen Sie.« Er rollte die Augen. »Clever, stimmt's. Diese Leute, ich werd sie nie begreifen ...« Ein tiefer Seufzer. »Jedenfalls hat sie es dann auf eigene Faust probiert - eine Abtreibung -, und das hat nicht so gut hingehauen.«
    »Was ist passiert?«
    »Was denn sonst?« Erneut die Handbewegung, die das ganze Universum mit einschloß. »Sie landet hier bei uns. Dr. Witt ist der Spezialist für Frauensachen, und er arbeitet ehrenamtlich hier bei uns. Er hat auf der Stelle einen Krankenwagen bestellt. Aber noch bevor der Wagen ankam, war das Mädchen tot.«
    »Die Eltern haben Witt die Schuld gegeben?«
    Sam nickte. »Mußten sie ja. Sie wollen sich ja nicht selber die Schuld geben, stimmt's? Also brauchen sie sonst irgend wer und Melissa ist bereits tot - irgendwie unfair, den Frust an ihr auszulassen, finden Sie nicht auch? -, also kommen sie auf Witt. Sie beschließen, daß er irgendwie für die Abtreibung verantwortlich ist, an der ihre Tochter gestorben ist.«
    Diese Logik vertrug kein gründliches Nachbohren, aber Hardy nahm an, daß sich das Ganze für die trauernden Eltern Roman überzeugend genug anhörte. Er beugte sich jetzt vor. »Wie sind sie ihm denn auf den Pelz gerückt? Wann ist die ganze Sache passiert?«
    Sam nickte, war stolz auf sich. »Ich hab es heute nachgesehen. Es war letztes Jahr genau vor Thanksgiving.«
    »Also einen Monat, bevor man Witt erschossen hat.«
    »Stimmt.«
    »Was haben sie gemacht? Gedroht, ihn zu verklagen? Was denn?«
    Sams Handflächen wiesen wieder gen Himmel, demon strierten die ganze Wahrheit. »Ich weiß nicht alle Details. Ich weiß, daß Vater Roman zweimal hier angetanzt ist - beim zweiten Mal mußten wir den Sicherheitsdienst rufen. Dann, kurz darauf, hat Dr. Witt gesagt, daß er vielleicht aufhört, eh renamtlich zu arbeiten, es sei einfach zuviel Streß. Irgendwer hat ihm die Scheibe am Auto eingeworfen, und er war sicher, daß es Roman gewesen war.«
    »Hat er Anzeige erstattet?«
    »Keine Ahnung.«
    Das war etwas, das Hardy mit Fug und Recht Terrell oder sogar Glitsky melden konnte. Das hier war ein tätlicher An griff, der einem Mordopfer weniger als vier Wochen vor seinem Tod gegolten hatte.
    Sofern Larry die Sache angezeigt hatte.
    »Was das andere angeht«, sagte Sam soeben, »ob Roman ihn oder die Klinik verklagt hat, keine Ahnung. Ich hab nichts davon gehört, aber ich will Ihnen was sagen ...«
    Hardy wartete.
    »Was halten Sie davon? Wenn man vorhat, jemanden umzubringen, dann verklagt man ihn doch nicht auch noch, oder? Vielleicht ist das der Grund, wieso ich nie von was gehört hab. Wieso hat er sonst nicht einfach die Klinik verklagt?«
    Eine interessante Frage.
    Niemand war zu Hause, als Hardy heimkam, und er spürte, wie ihm die Leere aufs Gemüt zu drücken versuchte, schwer und kalt wie der für San Francisco typische Nebel.
    Er hatte fast zehn Jahre lang alleine in diesem Haus gewohnt, bevor er sich mit Frannie zusammentat, und die Erinnerungen an früher waren nicht allzu angenehm - er vermißte so gut wie nichts aus diesem verlorenen Jahrzehnt. Damals war das Haus kleiner gewesen (ohne das Kinderzimmer für Vincent), dunkler (ohne die Dachfenster), kälter. Einfach irgendwie kälter.
    Er pflegte von der Schicht in der Kneipe oder von einem Football- oder Baseballspiel nach Hause zu kommen und in sein Arbeitszimmer zu gehen, wo sich jetzt Rebeccas pastell-farben gestrichenes Kinderzimmer befand. Er holte sich eine Flasche Guinness aus dem Kühlschrank, setzte sich im Licht seiner altmodischen Schreibtischlampe mit dem grünen Glasschirm an den Schreibtisch und las oder warf Darts oder putzte seine (jetzt unbenutzten) Pfeifen oder schnitzte an einem Stück Holz herum. Meistens zündete er sich mit Briketts ein Feuer im Kamin an.
    Alles, was er tat, hatte er mutterseelenallein getan, selbst wenn ihm andere Leute Gesellschaft leisteten. Er hatte nicht den Eindruck gehabt, daß er einsam war. Er war nicht einsam, er war nur allein. Und, wie er jetzt wußte, gab es da einen Unterschied.
    Frannie hatte nichts davon erwähnt, daß sie fortfahren wollte, und er hatte noch mit ihr geredet, nachdem er Jennifer morgens besucht hatte. Es war gut möglich, daß sie zum Markt gefahren war, obwohl sie ja erst ein gemütliches Wochenende hinter sich hatten, einschließlich einer Einkaufsfahrt am

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