Das Vampir-Pendel
Marek ließ nicht locker. »Jedenfalls bist du nicht der alte Juri, nehme ich an.«
»Sehe ich so aus?«
Der Pfähler lächelte schief. »Eigentlich nicht. Ich habe nur Juri erwartet und nicht dich.«
»Ich werde dich zu ihm bringen.«
Mareks Augen verengten sich. »Das ist gut und schön, aber kann ich dir trauen?«
»Das mußt du!« erwiderte der Soldat locker und hängte sein Gewehr um.
Frantisek nahm es nickend zur Kenntnis, kam aber auf die Kleidung des anderen zu sprechen. »Du siehst aus wie ein Soldat! Bist du auch einer, der vielleicht sogar desertiert ist?«
»So ungefähr.«
»Aber nicht aus der rumänischen Armee, denn diese Soldaten tragen andere Uniformen.«
»Stimmt, du hast einen guten Blick. Aber trotzdem komme ich vom Balkan.«
Marek begriff sehr schnell. »Serbe oder Kroate?«
»Kroate.«
»Und du lebst hier?«
»Der alte Juri lebt hier. Auch er stammt ursprünglich aus Kroatien. Mehr werde ich dir nicht sagen, komm jetzt mit. Wir haben schon zuviel Zeit verloren.«
»Ist es noch weit?«
»Du wirst es überleben, Marek.« Der Soldat faßte zu und umklammerte den Arm des Pfählers. Wie eine Zwinge hatten sich seine Finger um den rechten Ellbogen gespannt.
»He, was soll das?« beschwerte sich Marek. »Wir sind hier nicht im Krieg, und du führst keinen Gefangenen ab.«
»Ich bin immer im Krieg.«
»Denk auch mal an andere.«
»Du bist auch im Krieg. Das hat der alte Juri gesagt.« Marek seufzte und ergab sich damit in sein Schicksal. »Wenn er das gesagt hat, muß es wohl stimmen.«
»Klar.«
Sie gingen weiter, aber der Griff lockerte sich, und schließlich, als der Pfad für beide doch zu eng wurde, ließ der Soldat seinen Begleiter los, wohl auch in der Absicht, daß eine Kugel aus seinem Gewehr immer schneller war als die Flucht des alten Mannes.
Es ging noch tiefer in die Berge hinein, zumindest kam es dem guten Marek so vor. Die Hänge wurden steiler, der Weg gefährlicher. Unter den Bäumen war es schwül, und beinahe jeder Atemzug wurde zur Qual. Vor allen Dingen für Marek, der nicht mehr der Jüngste war. Aber er war zäh wie Leder. Das zumindest sagte er sich selbst, und er spornte sich damit an.
Er wollte leben, lange leben. Wenn es nach ihm ging, ewig, denn so konnte er den Kampf gegen die Brut fortsetzen bis in alle Ewigkeiten. Er haßte sie, die Vampire waren das Schrecklichste, was es seiner Meinung nach auf der Welt gab. Im Laufe der letzten Jahre war er zu einem gefürchteten Vampirjäger geworden, und den Namen Pfähler trug der gute Frantisek Marek nicht grundlos.
Sein alter Eichenpflock hatte schon so manchem Blutsauger den Garaus gemacht, und er würde es auch weiterhin tun, wenn es nach Marek ging, auch wenn der alte Juri, den er an diesem Tage treffen wollte, von einer anderen und auch ultimativen Waffe gegen die Blutsauger gesprochen hatte, auf seinen Pflock würde Marek nicht verzichten.
Der Kampf gegen die Blutsauger war in der letzten Zeit härter geworden.
Er wußte es auch durch seine Londoner Freunde John Sinclair und Suko, denn jemand hatte es tatsächlich geschafft, ein gewaltiges Vampirreich in einer anderen Dimension aufzubauen, eine Vampirwelt, und dieser Jemand war der ehemalige BKA-Kommissar Will Mallmann, der sich nun als Vampir Dracula II nannte und sich auch als dessen Nachfolger fühlte.
Noch immer bewegten sich die beiden unterschiedlichen Männer durch den Wald. Die Zeit war zwar wie immer vorhanden, aber in einer Gegend wie dieser war sie nicht mehr wichtig, sondern nur noch zweitrangig. Wer sich hier bewegte, schaute nicht auf die Uhr, sondern mehr auf die Sonne, ob diese auf- oder unterging.
Beide hörten das Rauschen. Es klang noch weit entfernt. Als würde der Wind durch das Laub eines Baumes huschen.
»Das ist der Bach«, sagte der Soldat.
»Was bedeutet es?«
»Daß es nicht mehr weit ist. Im Frühjahr, zur Schneeschmelze, schwillt er zu einem Fluß an, aber zu dieser Zeit kann man ihn durchqueren.«
»Gibt es denn keine Brücke?«
»Doch, aber an einer anderen Stelle. Außerdem ist es nicht mehr als ein baufälliger Steg, der beim nächsten Hochwasser weggespült wird.«
»Das ist schlecht.«
»Meine ich auch.«
Der Soldat ging vor. Er bedeutete Marek, erst einmal zurückzubleiben.
Der Pfähler sah, daß sein Begleiter hinter einem Knick verschwand, mußte einige Sekunden warten und hörte die rauhe Stimme.
»Du kannst kommen.«
»Wo steckst du denn?«
»Ich winke dir zu.«
»Jedenfalls bist du nicht auf
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