Das Vampir-Pendel
Seite weg. Der Pfahl fehlte.
Er kratzte über ihren Mantel hinweg, das war alles, und Marek geriet ins Stolpern.
Assunga aber bewegte sich nicht auf die offene Tür zu, sondern suchte die Dunkelheit im Wagen. Mit einer heftigen Bewegung schlug sie den Mantel vorn zusammen, und wir hörten einen Laut, als wäre ein Windstoß an uns vorbeigezischt.
Dann war sie weg.
Wieder einmal.
Mir blieb nur das Fluchen und das Versprechen, daß ich den verdammten Mantel irgendwann einmal verbrennen würde, sollte ich ihn je in meine Finger bekommen…
***
Das war der Tisch, da war die Platte. Auf ihr lagen zwei Dinge. Das Pendel und das Kreuz.
Ich hatte es ideal geworfen. Es war zwar über die Platte gerutscht, aber an deren Rand liegengeblieben und war nicht, wie zunächst von mir befürchtet, zu Boden gefallen.
Und es hatte auch das Pendel nicht berührt, bei dem sich die warnende rote Farbe in den Augen wieder zurückgezogen hatte. Zur Sicherheit jedoch hatte Marek seine Hand über das Pendel gelegt, eine Geste des Besitzers, und niemand wollte es ihm abnehmen.
Der Weg durch das Fenster war mir doch zu schwierig gewesen. Ich war durch die Tür in den Wagen gekommen und hatte sie wieder geschlossen. Neugierige Augen brauchten wir jetzt nicht.
Milena saß zitternd auf dem Bett, die Hände ineinander verschränkt, wie jemand, der betete.
»Was habe ich alles falsch gemacht?« flüsterte sie.
Marek übersetzte es mir. Ich lächelte ihr zu und schüttelte zugleich den Kopf.
»Du hast nichts falsch gemacht.«
»Nein?«
»So ist es, Milena. Und ich verzeihe dir auch den Schlag gegen den Kopf. Ich wollte schon immer wissen, ob Holz stärker ist als Glas. Es ist stärker, wie du siehst.«
»Ja, vielleicht.« Sie senkte den Kopf und schaute auf ihre Hände.
»Fassen kann ich es noch immer nicht. Diese Assunga war auch eine Blutsaugerin, und sie hätte mich…«
Etwas schüttelte sie durch, und sie sank in sich zusammen.
Ja, sie hatte Glück gehabt. Sie war in diesem Spiel ebenso ein Rädchen gewesen wie Marek und ich. Nur hatten wir in das Getriebe Sand gekippt und der anderen Seite mal wieder eine Niederlage bereitet. Zwar hatten wir weder Assunga noch Mallmann vernichten können, aber es war ihnen auch nicht gelungen, das Vampirpendel in ihren Besitz zu bekommen. Für mich jetzt noch ein kleines Rätsel, denn beide hatten sich ziemlich dumm angestellt. Auf der anderen Seite aber liebten dämonische Wesen gewisse Spielchen, und sie hatten auch sicherlich damit gerechnet, Marek und mich zu fangen und somit zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.
Sie würden ihre Wunden lecken und sich irgendwann wieder erholt haben. Das sollte uns nicht weiter stören, vor allen Dingen meinen Freund Marek nicht, der das Vampirpendel auf den Händen liegen hatte und es betrachtete wie einen kostbaren Schatz.
»Zufrieden?« fragte ich.
»Mehr als das, John, mehr als das. Weißt du, was es bedeutet, daß ich jetzt Besitzer des Pendels bin?«
»Und wie.«
Er sprang auf. Vergessen waren die Schmerzen in seinem Kopf. »Ich kann sie jetzt finden. Ich kann sie in ihren Gräbern, Höhlen und Verstecken auftreiben.« Er starrte mich an und atmete tief durch. »Ich fühle mich so, John, als würde der Kampf gegen die blutsaugende Brut erst jetzt richtig beginnen.«
Ich schlug ihm auf die Schulter. »Wenn das so ist, alter Freund, drücke ich dir die Daumen…«
»Das mußt du auch, John, das mußt du auch…«
ENDE
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