Das verborgene Feuer
endlich in die Augen. Er sah, wie sie sich zu beruhigen begann, und wünschte, er hätte nicht versprochen, ihr gegenüber auf den Einsatz von Amnis zu verzichten, denn dann könnte er sie viel direkter ausfragen.
»Wem sind Sie heute begegnet?«, fragte er leise und schwamm langsam auf sie zu.
»Wem ich …?« Sie räusperte sich und war wieder verwirrt. »Ich bin vielen Leuten begegnet, Gio. Was soll das –«
»Sie haben jemanden kennengelernt, einen Fremden. Sie haben den Geruch eines anderen Unsterblichen an sich.« Er achtete darauf, dass seine Stimme ungerührt klang.
Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. »Hab ich nicht! Ich hatte einen ganz normalen Tag und habe keine Vampire getroffen. Inzwischen weiß ich doch wohl, worauf ich achten muss?« Er hörte ihr Herz schneller schlagen, spürte aber, dass nicht Angst, sondern Wut sie aufbrachte.
Er warf Carwyn, der – die Hände in den Taschen – langsam an den Pool geschlendert kam, einen Seitenblick zu.
»Ich habe es auch gerochen, B. Der Geruch ist schwach, aber er ist da. An Ihren Händen. Gio hatte schon immer die feinere Nase. Haben Sie jemandem die Hand geschüttelt? Oder sich an einen Ort begeben, an dem Sie noch nie waren?«
Sie verdrehte die Augen und schnaubte verärgert. »Ich war an der Uni und habe gearbeitet. Danach habe ich mit meiner Großmutter und ihren Freundinnen auswärts zu Abend gegessen, in einem neuen Thai-Restaurant, wo kein Kellner sonderlich blass aussah, Carwyn. Mir ist kein Vampir begegnet!«
»Trotzdem«, murmelte Giovanni, schwamm zum Beckenrand und stemmte sich aus dem Wasser hoch. »Da muss etwas sein.« Er überquerte tropfend den Innenhof. Erst als er Beatrice von der Treppe her leise nach Luft schnappen hörte, wurde ihm bewusst, dass er nackt war.
Carwyn verdrehte die Augen und warf ihm ein Handtuch zu. »Zieh dir was an. Wir wissen doch alle, dass sie lieber mich nackt sehen würde.«
Giovanni fasste Beatrice kurz ins Auge, sah sie errötend auf seine Füße starren und grinste, weil ihm klar wurde, warum ihr Herz so raste.
Offenbar nicht aus Wut.
Er schlang sich das Handtuch um die Hüften, kehrte zu ihr zurück und streckte die Hand aus, um ihr aufzuhelfen. Sie mied seinen Anblick noch immer.
»Beatrice«, begann er und versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken. »Tut mir leid. Mein Verhalten im Wohnzimmer war unzumutbar. Es wird nicht wieder vorkommen.« Sie sah ihn noch immer nicht an. Seufzend ließ er die Hand sinken.
»Schon gut, Gio«, sagte sie knallrot. »Erschrecken Sie mich nur nicht noch mal so.«
»Ich will es versuchen.« Er streckte erneut die Hand aus; diesmal ergriff sie sie und ließ sich hochziehen.
»Und glauben Sie nicht, dass ich dieses Stromdings nicht gespürt habe, als Sie mich packten. Kommen Sie ja nicht auf die Idee, mich zu manipulieren.«
Er lächelte ungeniert. »Verstanden.«
Sie nickte, und ihr Blick war klar und entschlossen. »Ich rufe jetzt meine Großmutter an, damit sie sich keine Sorgen macht. Danach setze ich mich in die Bibliothek.«
»Danke.«
»Gern geschehen. Jetzt gehen Sie und ziehen Sie sich etwas an. Denn wenn ich mich konzentrieren soll, dürfen Sie sich nicht so nackt vor mir präsentieren – ob Sie nun ein Vampir sind oder nicht.«
Giovanni verkniff sich ein Grinsen, ging Richtung Haus und verpasste dem lachenden Carwyn auf dem Weg dorthin einen freundschaftlichen Schlag.
»Au«, rief der Priester und war wieder so gesellig wie sonst.
»Simulant.«
»Ich übe fürs Wrestling!«
Als Giovanni in den ersten Stock eilte, um sich anzuziehen, empfand er ein tiefes Gefühl der Befriedigung.
Sie war noch immer nicht weggerannt.
Er traf sie alle in der Bibliothek, wo Carwyn eben ein Feuer anzündete und Caspar allen etwas zu trinken gebracht hatte. Der Butler saß neben dem Mädchen auf dem Sofa, sodass die Stühle an den schmalen Seiten des Tisches den Vampiren vorbehalten blieben.
Doch die beiden setzten sich nicht; Carwyn lehnte am Kaminsims und ließ seine Blicke durch das Zimmer schweifen, während Giovanni in der Bibliothek auf und ab ging. Im Kopf wälzte er Informationen und folgte diesem und jenem vagen Hinweis wie bei einem Puzzle. Nun, da er wieder vernünftig denken konnte, begannen die Teile allmählich an Ort und Stelle zu rücken. Die Wut allerdings erwachte gerade erst.
»Carwyn«, hörte er Beatrice fragen, als er zu seinem abgeschlossenen Schrank ging, »warum können Sie Stereoanlage und Fernbedienungen benutzen und Gio nicht? Sie
Weitere Kostenlose Bücher