Das verborgene Feuer
ist«, unterbrach Carwyn sie, warf seinem Freund einen Blick zu und fuhr fort, »dass die Kämpfer das Publikum mit ihrer scharfen Zunge ebenso stark beeindrucken wie mit ihren körperlichen Fähigkeiten.«
Giovanni nickte. »Das passt bestens zu klassischen abendländischen Traditionen.«
Beatrice starrte die beiden an und begann zu kichern.
»Haben Sie beide mir eben eine hochgelehrte, klug klingende Rechtfertigung dafür gegeben, warum Sie sich im Pay- TV Profi-Wrestling anschauen?«
Carwyn schnaubte. »Soll das ein Witz sein? Wir haben Jahre gebraucht, uns das so zurechtzulegen. Nehmen Sie sich ein Bier und setzen Sie sich dazu.«
Noch immer vor sich hin kichernd ging sie in die Küche, wo Caspar ihr eine eben geöffnete Flasche hinhielt. »Möchten Sie –«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, die beiden sollen ruhig ohne mich diesem rustikalen Vergnügen frönen. Ich will damit nichts zu tun haben – und wenn sie noch so oft
Beowulf
zitieren.«
Beatrice nahm leise lachend das Bier entgegen. »Ich glaube, ich werde mir das ein Weilchen ansehen. Schließlich«, setzte sie lächelnd hinzu, »kommt gleich der Hauptkampf des Abends!«
Schmunzelnd nahm Caspar wieder sein Kreuzworträtsel zur Hand. Sie kehrte ins Wohnzimmer zurück und setzte sich auf den freien Platz zwischen den beiden Vampiren. Carwyn, der links von ihr saß, schrie schon wieder auf den Bildschirm ein, doch Giovanni setzte sich tiefer ins Sofa zurück, streckte den linken Arm kleinlaut auf der Rückenlehne aus und sah sie an.
Beatrice musste lachen. »Irgendwie süß, ehrlich gesagt.«
»Wirklich?«
»Normalerweise treten Sie so gediegen auf.« Sie hob ihr Bier, um zu trinken, und Giovanni beugte sich mit einem kleinen Lächeln ein wenig zu ihr vor. »Irgendwie nett –«
Im gleichen Moment riss er ihr das Bier aus der Hand, sprang auf und zerrte sie an ihrem Arm zu sich. Mit bebenden Nüstern und glühendem Blick zog er ihre Hand an seine Nase und atmete tief ein. Ihre Herzfrequenz schoss in die Höhe, als ein Knurren aus seiner Kehle drang und sein linker Arm sich um ihre Hüfte schlang.
»Gio –«
»Wo ist er?«, fauchte er.
9
Houston, Texas
Dezember 2003
»Giovanni, lass sie los.«
Gefangener seiner innersten Instinkte, kam er nicht gegen den Geruch des unerwarteten Feindes an, ein Feind, der einem Menschen nachstellte, den er seiner Natur gemäß längst für sich beanspruchte, auch wenn sein Verstand es nicht wahrhaben wollte. Seine Fänge wuchsen, vom plötzlichen Aufwallen seines Blutes und der unsichtbaren Bedrohung aufs Äußerste gereizt. Giovanni wollte seine Zähne in Beatrice schlagen, um sie als sein Eigentum zu markieren, damit niemand sonst sie zu berühren wagte.
»Giovanni!« Er hörte das Rufen des Priesters wie aus weiter Ferne.
»Gio«, flüsterte sie; ihr Puls hämmerte ihm in den Ohren, und der Geruch ihrer Panik stieg in verführerischen Wellen von ihr auf. »Bitte nicht – ich verstehe nicht –«
Sein Kopf näherte sich ihrem Hals, und der alte Drang, ihr Blut zu trinken und sie so zu zeichnen, wütete in ihm. Er spürte den Strom aus seinen Fingerkuppen in die Haut des Mädchens kriechen, als das Amnis durch ihn zu fließen und in sie überzugehen begann.
»Giovanni di Spada!«
Er starrte vor sich hin, hypnotisiert vom Hämmern ihres Herzens, das schneller wurde, je fester er sie an sich drückte. Auch sein Herz begann rascher zu schlagen, und er bleckte die Fänge.
»Ich bring dich um, wenn du dieser Unschuldigen auch nur ein Haar krümmst!«, brüllte Carwyn auf Italienisch, und die Sprache seiner Jugend lichtete endlich den Nebel, der Giovannis Verstand verhüllt hatte.
Sein verschleierter Blick wurde klar, und der Vampir rückte mit einem Satz von dem Mädchen ab und starrte sie zutiefst erschrocken an, als er Tränen über ihre Wangen strömen sah. Er hörte auf zu atmen, trat noch einen Schritt zurück und unterdrückte das Knurren, das ihm aus der Kehle zu dringen drohte, als Carwyn zwischen ihn und Beatrice trat.
»Verschwinde. Sofort!«
Er versuchte, an Carwyn vorbeizuschauen. »Beatrice –«
»Sofort, sonst fliegst du raus!«, rief der Priester, während Caspar mit offenem Mund in der Tür stand.
Giovanni stieß die Terrassentüren auf und stakste hinaus. Caspar traf ihn wenig später am Pool, wo er mit einer Blutkonserve aus dem Kühlschrank auf und ab ging. Er hatte die Tüte umstandslos aufgebissen und saugte den Inhalt – so abgestanden er auch schmeckte – gierig ein. Als
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