Das verborgene Feuer
fast schreien lassen.
»Mich doch nicht! Ich weiß doch nichts. Ich hätte nicht die leiseste Ahnung, wenn Giovanni mich nicht informiert hätte. Ich meine …« – sie wandte sich abrupt an Giovanni – »… warum haben Sie mir all den Mist erzählt?«, schrie sie nahezu, und ihre Angst war mit Händen zu greifen.
»Weil Sie danach gefragt haben. Außerdem haben Sie das meiste selbst herausgefunden«, erwiderte Carwyn sanft. »Hätten wir es vor Ihnen geheim halten können? Selbst wenn wir es versucht hätten? Oder hätten wir Sie das Ganze lieber vergessen lassen sollen? Das wäre noch immer kein Problem.«
Beatrice sah Giovanni aufstehen und auf sich zukommen; es war beinahe, als vertriebe jeder Schritt, den er in ihre Richtung tat, sie weiter aus dem sicheren, unscheinbaren Leben, das sie gekannt hatte. Sie verspürte gleichzeitig den Drang, vor der sich nähernden Bedrohung zu fliehen, und das Bedürfnis, zu ihm zu stürmen und sich zum Überleben an ihn zu klammern. Das Problem dabei war, dass sie keine Ahnung hatte, ob er ihr nachsetzen oder sie in seine Obhut nehmen würde.
»Ich weiß gar nichts«, krächzte sie. »Er kann es nicht auf mich abgesehen haben. Ich bin doch nicht … warum sollte er mich wollen?«
Für einen flüchtigen Moment gewahrte sie Mitleid in seinen Augen. »Weil Ihr Vater es will.«
11
Houston, Texas
Januar 2004
Er sah sich die Übersetzung des Briefs an und las Worte, auf denen sein Blick seit fünfhundert Jahren nicht mehr geruht hatte. Selbst so viel später stieg Polizianos warmherziger Humor noch aus den Seiten auf. Als er auf den Absatz stieß, nach dem er gesucht hatte, runzelte er die Stirn.
Die Texte, von denen Du sprichst, verheißen viel Geheimwissen, sofern es sich bei ihnen um das handelt, wofür Du sie hältst. Beim Lobpreis unserer klassischen Väter vernachlässigen wir zu oft die älteren Vorstellungen des Ostens. Ich bin froh, dass diese seltenen Schätze den Weg in Deine anspruchsvollen Hände gefunden haben, und zweifle nicht daran, dass Du bei ihrem Studium auf viel Weisheit stoßen wirst.
»Ja!«
Giovannis Kopf fuhr hoch, als Beatrices Triumphschrei durch seine Bibliothek drang, und er sah zu, wie sie vom Tisch aufsprang und eine Art Siegestanz begann.
»Wollen Sie mir etwas sagen?«, fragte er trocken.
»Nur dass ich die großartigste und beste Assistentin der Welt bin.« Sie tanzte strahlend weiter und wiegte sich zu keinem erkennbaren Takt auf die Mitte des Zimmers zu. Zwar bemühte er sich, ernst zu schauen, lachte aber bald leise und kopfschüttelnd in sich hinein.
»Nicht, dass ich an Ihrer … Großartigkeit zweifeln möchte, aber gibt es einen Grund, das ausgerechnet jetzt zu feiern?«, fragte er mit widerstrebendem Lächeln.
Sie tanzte weiter, und es fiel ihm zunehmend schwer, seine Augen von ihrer geschmeidigen Gestalt abzuwenden, die sich immer weiter näherte. Ihre wiegenden Hüften und die anmutige Taille zogen seinen Blick an, und er spürte, wie er in Wallung geriet. Sie tanzte und summte eine Melodie, ein Lächeln erhellte ihr Gesicht, und ihre dunklen Augen spiegelten das goldene Lampenlicht wider, als sie sich an seinem Tisch zu ihm vorbeugte.
»Raten Sie mal, wer die Lincoln-Rede gefunden hat«, forderte sie ihn mit einem koketten Lächeln auf und stützte dabei die Ellbogen auf den Tisch und das Kinn in die Hände.
Sie hatte das Dokument unerwartet schnell gefunden. Angesichts seiner misslichen Lage war die Erfüllung ihrer Aufgabe eine schöne Überraschung.
»Gut gemacht, Beatrice«, sagte er nur.
Seine betont gedämpfte Reaktion ließ sie schmale Augen bekommen, doch gleich darauf sah sie wieder freundlich drein und ließ sich ihm gegenüber nieder. Er konnte die Energie nahezu sehen, die sie verströmte.
»Es ist wie ein Rausch! Geht es Ihnen auch so, wenn Sie etwas gefunden haben?«
Er nickte. »Wobei es mit meinem Tanztalent nicht so weit her ist wie mit Ihrem.«
Sie streckte ihm die Zunge heraus, und er spürte den fast unwiderstehlichen Drang, sich über den Tisch zu beugen und zuzubeißen, unterdrückte den Impuls aber und versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was sie sagte.
»– überrascht, dass Sie mich noch nicht gefragt haben.«
»Hmm?«
Sie wirkte bestürzt. »Haben Sie nicht zugehört? Waren Sie allen Ernstes abgelenkt?«
»Ich habe in den Briefen gelesen. Wie haben Sie die Rede gefunden? Bitte klären Sie mich auf, großartigste Assistentin.«
Sie lächelte und machte es sich auf ihrem Stuhl
Weitere Kostenlose Bücher