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Das verborgene Feuer

Das verborgene Feuer

Titel: Das verborgene Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Hunter
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abgehalten?«
    Caspar schüttelte den Kopf. »Ich hatte nie das Gefühl, dass dir eine Familie – falls ich eine hätte haben wollen – unwillkommen gewesen wäre. Denn ich weiß, wie kinderlieb du bist. Nein, ich habe bloß nie die richtige Frau gefunden, nehme ich an.«
    »Und Isadora?«, fragte Giovanni schmunzelnd.
    Über Caspars Gesicht ging ein Lächeln. »Sie ist großartig, Gio – absolut verehrungswürdig. Ich möchte sie rauben, um sie ganz für mich allein zu besitzen.«
    »Du bist verzaubert, alter Freund.«
    »Vollkommen. Aber du hast sie kennengelernt – kannst du es mir verdenken?«
    Giovanni musste an Isadora und Beatrice denken und ebenfalls lächeln. Er erinnerte sich, wie die beiden – die eine grau-, die andere schwarzhaarig – am Dia de los Muertos nebeneinandergestanden, wie sie gelacht und sich geneckt hatten und wie entspannt und liebevoll ihr Verhältnis zueinander gewesen war. Vor seinem geistigen Auge sah er eine gealterte Beatrice, sah ihre ausdrucksvollen Züge allmählich die Würde ihrer Großmutter annehmen und ihre Augen die einzigartige Weisheit ausstrahlen, die nur ein erfülltes Leben schenkte.
    »Nein, das kann ich dir sicher nicht verdenken, Caspar. Die beiden sind umwerfend.«
    Caspar hob eine Braue, doch Giovanni fuhr fort: »Falls die Lage in der Stadt gefährlich wird, bring Isadora in das Haus in Kerrville. Dort seid ihr aus der Schusslinie. Ich möchte mir keine Sorgen um euch machen müssen.«
    »Was ist mit B?«
    »Die bleibt hier – ich werde sie brauchen.«
    »Wie meinst du das?«
    Er zuckte die Achseln. »Mach dir keine Sorgen. Ihr passiert nichts.«
    »Weil du sie brauchst?«
    Er warf Caspar im flackernden Licht einen raschen Blick zu. Das Feuer verglomm schon, und er spürte nach der langen Reise, wie die Morgendämmerung an ihm zehrte.
    »Du brauchst sie«, wiederholte Caspar, »und deshalb sorgst du für ihre Sicherheit?«
    »Natürlich.«
    Caspar nickte, leerte seinen Drink, stellte das Glas auf den Tisch und erhob sich vom Sofa. »Natürlich.«
    Er ging in den ersten Stock hinauf, und sein Gang war etwas langsamer als im Vorjahr. Im kommenden Jahr würde er noch langsamer sein, bis es nötig werden würde, den alten Freund in einem Zimmer im Erdgeschoss einzuquartieren. Obwohl Caspar gesundheitlich in bester Verfassung war, wusste Giovanni, dass die verstreichende Zeit unausweichlich dazu führen würde, dass er ihn eines Tages verlor.
    Er starrte noch eine Stunde ins Feuer, ehe er es gut sein ließ, die Treppe hochstieg, seinen begehbaren Kleiderschrank betrat, die alte Uhr abnahm und auf die Kommode legte, sich auszog und seine Sachen in den Wäschekorb tat, damit Caspar sich am nächsten Morgen darum kümmerte. Dann tippte er den Code zu seinem Schlafzimmer ein und trat durch die Panzertür ein.
    Er fasste die spartanische Einrichtung ins Auge. Es gab nur ein schmales Bett; denn trotz seiner Größe würde sein Körper sich während der Tagesruhe kaum bewegen. Dazu kam ein Schreibtisch mit ein wenig Schreibpapier, einigen älteren Füllfederhaltern, die er auch weiterhin bevorzugte, und einem Telefon mit Wählscheibe. Die einzige Zierde war ein Foto des Arnos, der durch Florenz floss, mit den Brückenbögen des Ponte Vecchio, der ihn überspannte. Das Bild war mittags aufgenommen, und die Läden auf der Brücke lagen im glühenden Licht der sengenden italienischen Sonne.
    An der Wand gegenüber stand ein großes Regal mit seinen Tagebüchern, die seine Erinnerungen aus fünfhundert Jahren enthielten; keiner außer ihm hatte je darin gelesen. Während er im Bett lag und auf das kräftezehrende Heraufziehen des Tages wartete, versuchte er sich Beatrice in diesem kleinen, beengten Zimmer vorzustellen.
    Es gelang ihm nicht.
    Giovanni hörte sie, noch ehe er sie roch, und er roch sie, als sie das Haus betrat. Er zwang sich, den fünften Brief zu studieren, während Beatrice mit Caspar in der Küche plauderte, einen beschwingten Brief, in dem Poliziano sich über die Debatten in Rom lustig machte und seinen Freund davor warnte, öffentlich über die mystischen Texte zu sprechen, die Andros ihm gegeben hatte.
    Ich hoffe, Du denkst an die strenge Haltung, die unser Heiliger Vater hinsichtlich aller Dinge mystischer Natur bezogen hat. Ich weiß, Du bist von Deinen östlichen Texten und Deinen Gedanken zur philosophischen Harmonie fasziniert, aber ich wünsche Dir nicht, dass Du unter seinen prüfenden Blick gerätst. Zweifellos würde das Ergebnis einer solchen

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