Das verborgene Feuer
Untersuchung niemandem gefallen.
Die Debatten, an die er sich erinnerte, waren ergebnislos verlaufen, und der Papst war nur noch ärgerlicher geworden. Giovanni lächelte, als er den letzten Absatz las.
Nun noch zu einem angenehmeren Thema: Ich habe Jacopos Brief gern gelesen und freue mich, dass er seiner Zeit im Haushalt der Benevienis so liebevoll gedenkt. Ich glaube wirklich, mein Freund, dass das, was Du mit seiner Erziehung erreicht hast, zusammen mit Deinem philosophischen Werk zu Deinen schönsten Leistungen gehört.
Er unterbrach seine Lektüre, als er Beatrice die Treppe hochkommen hörte, und merkte gleich, dass ihr Schritt nicht die sonstige Munterkeit besaß.
»Hey.«
Er sah ihr in die dunklen Augen und war sofort versucht, alle Vorsätze, die er gefasst hatte, über Bord zu werfen, als er ihre schwarze, eng anliegende Bluse und den engen, tiefroten Rock erblickte. Er musste lächeln, als ihm auffiel, dass sie heute wieder einmal ihre Kampfstiefel trug, doch er zwang sich, sitzen zu bleiben.
»Hallo, Beatrice.«
»Sie haben sie also bekommen, höre ich. Die Lincoln-Rede. War der Käufer zufrieden?«
Giovanni nickte langsam. »Ja. Zufriedenheit auf beiden Seiten und für mich ein gutes Vermittlungshonorar.«
»Schön. Das ist wirklich schön.«
Sie schlenderte in die Bibliothek, trat schließlich an den Tisch, an dem ihr Computer während ihrer Abwesenheit unbenutzt gestanden hatte, und schaltete ihn ein. Giovanni überlegte, wie er die Mauer umgehen konnte, die zwischen ihnen gewachsen war.
Ihm kam eine Idee. »Ich habe ein neues Projekt für Sie.«
Sie runzelte ein wenig die Stirn und konzentrierte sich auf den Bildschirm. »Ach wirklich? Worum geht’s?«
»Es hat mit den Pico-Briefen zu tun.«
Sie sah ihm in die Augen und war offenkundig erstaunt. »Mit den Briefen? Sie meinen – das heißt … Sie trauen mir zu, etwas über die Briefe herauszufinden?«
Er runzelte die Stirn. »Natürlich. Warum sollte ich Ihnen das nicht zutrauen?«
Sie sah ihn kurz an, lachte und schüttelte den Kopf. »Warum Sie mir … ich weiß nicht, Giovanni, ich weiß nicht, was ich von Ihnen halten soll. Von allem. Ich sollte einfach – ja, ich sollte aufhören, Sie verstehen zu wollen.«
Giovanni holte tief Luft, stand auf und setzte sich vorsichtig auf den großen Tisch. »Beatrice, der Abend damals im Pub …«
»War es dir ernst damit?« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Mit dem Kuss?«
Ja
, dachte er, sagte aber nichts, während sie aufstand und auf ihn zukam.
Sie musterte ihn und biss sich stirnrunzelnd auf die Lippe. »Denn erst dachte ich, es wäre dir ernst – ich meine, der Kuss schien aufrichtig zu sein –, und dann hast du gesagt, du schauspielerst.«
Aber das habe ich nicht,
dachte er.
Ich wollte meine Fänge in dich senken, wollte dein Blut trinken, dir die Kleider vom Leib reißen und –
»Aber dann habe ich gründlicher darüber nachgedacht.«
Er spürte, dass ihm wieder Fänge wuchsen, und seine Haut wurde heiß, als sie näher kam. Er zwang sich, reglos sitzen zu bleiben, statt ihr entgegenzueilen.
»Ich habe gründlich nachgedacht und begriffen, dass es Dinge gibt, die ein Mann nicht vortäuschen kann. Und wie du mich geküsst hast …« Ihre Lippen waren voll und rot, da sie angespannt daran gekaut hatte. Er verschränkte die Arme, um sie nicht unwillentlich zu berühren, während sie mit leiser Stimme fortfuhr: »So wie es sich anfühlte, Gio, glaube ich ganz und gar nicht, dass es geschauspielert war.«
Sie stand vor ihm und begegnete seinen hungrig starrenden Augen mit geradem Blick, und Giovanni hätte bloß einen Schritt nach vorn machen müssen, um sie in die Arme zu nehmen, den Mund an ihren weichen Hals zu legen und das sämige Blut zu trinken, das nach ihm rief. Er schluckte langsam und überging das Brennen in der Kehle und den Duft nach Geißblatt und Zitrone, der in der Luft lag.
»Ich will nicht leugnen, dass ich mich zu dir hingezogen fühle, Beatrice. Das abzustreiten, wäre albern und eine Beleidigung für uns beide.«
»Aber du wirst mich nicht wieder küssen, nicht wahr?«
»Nein.«
»Wolltest du mich beißen?«
Er musterte ihre Augen, um herauszufinden, welche Antwort sie hören wollte, doch obwohl er die Menschen seit fünfhundert Jahren beobachtete, gab ihr Blick ihm immer noch Rätsel auf.
»Ja.«
»Aber jetzt willst du es nicht mehr?«
Sein Körper hätte liebend gern »Doch!« gesagt, aber sein Verstand rebellierte gegen die Folgen
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