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Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das verborgene Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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freudiges Lied in ihren Ohren.
    »Delphine ist nicht einmal zwei Jahre jünger, und genauso groß«, wandte Celeste ein.
    »Aber Delphine hat nicht Mitzys …« Er verstummte un behaglich.
    »Mitzys was?« Celestes Tonfall klang gefährlich.
    »Nicht so wichtig.«
    »Was, Charles? Sag es mir. Sag mir, was dich so fasziniert, dass du ihr Gesicht in jedem deiner Bilder haben musst und die Gesichter deiner Töchter und deiner Geliebten in keinem einzigen?« Celeste beugte sich zu ihm vor und starrte ihm direkt in die Augen. Dimity war froh, dass Delphine und Élodie ein gutes Stück entfernt waren und sie nicht hören konnten. Ihre Wangen brannten, und sie hielt den Blick gesenkt in der Hoffnung, Celeste würde sie gar nicht bemerken.
    »Da ist nichts weiter dabei, Celeste. Es ist einfach nur eine Frage des Alters und des Anstands, sein eigenes Kind nicht für eine Hommage an die jugendliche Schönheit Modell sitzen zu …«
    »Ich verstehe. Also bin ich nicht jung genug, und Delphine ist nicht schön genug. Du bist wenigstens ehrlich, wenn auch nicht loyal«, fauchte sie, sprang auf und starrte mit zornig blitzenden Augen auf Charles herab. Dimity wagte einen kurzen Blick zu ihr, wandte ihn jedoch sofort wieder ab, als die Marokkanerin sie ins Auge fasste. Eine grässliche Pause entstand, und dann kehrte Erleichterung ein, als Celeste ohne ein weiteres Wort davonstapfte. Dimity ließ die Freude über Charles’ Lob ihrer Schönheit in ihren Gedanken widerhallen.
    Zehn Tage lang machten sie gemeinsam solche Ausflüge, die sich stets Charles’ künstlerischen Schaffensschüben anpassen mussten. Dimity fiel auf, dass Celeste lieber dicht bei ihren Töchtern ging statt mit ihr oder Charles, und da mit war sie vollkommen zufrieden. Sie besuchten den Souk Attarine, einen großen, überdachten Markt im Stadtzentrum, wo in den engen Gassen voll zahlloser Geschäfte alles nur Vorstellbare feilgeboten wurde. Sie stiegen die Treppen in einem Haus hinauf, bezahlten dem älteren Mann, der dort oben wohnte, ein paar Münzen und traten hinaus auf sein Dach, um die Gerberei zu betrachten. Unter ihnen brei tete sich Reihe um Reihe weißer Gruben aus, voll stinkender Häute und Gerblauge oder den wilden Regenbogentönen der vielen Farben. In anderen Gassen beobachteten sie, wie blau-weiße Keramik und Kacheln geformt, bemalt und gebrannt wurden. Einmal sahen sie auch unbeabsichtigt ein kleines, braunes Zicklein, das an den Hinterbeinen aufgehängt war und verzweifelt zappelte, als ihm die Kehle aufgeschlitzt wurde. Von einem anderen Aussichtspunkt betrachteten sie den jadegrünen Turm der Karaouine-Mo schee und die Mosaiken der Lehrgebäude und heiligen Höfe darum herum, in die Ungläubige keinen Fuß setzen durften.
    »Was würde denn passieren, wenn ein Christ da hineinginge?«, fragte Dimity, beeindruckt von der Schönheit und Pracht der Moschee.
    »Ich glaube, das sollte man lieber nicht herausfinden«, antwortete Charles.
    »Sie ist so schön und vollkommen – aber so viele andere schöne Gebäude in der Stadt lässt man einfach verfallen«, sagte Delphine. Celeste legte ihrer Tochter eine Hand auf die Schulter.
    »Wir Marokkaner sind ein Nomadenvolk. Die Berber wie die Araber. Heutzutage bauen wir uns vielleicht Häuser aus Stein und Ziegel, doch wir betrachten sie immer noch wie Zelte. Als würden wir nur vorübergehend darin wohnen und nicht auf Dauer«, erklärte sie.
    »Tja, es gibt wohl keine bessere Möglichkeit, ein Gebäude nur vorübergehend bewohnbar zu machen, als es zu vernachlässigen«, sagte Charles und grinste dabei, um Celeste zu zeigen, dass er nur Spaß machte. Sie lächelte nicht einmal, und sein Grinsen erlosch.
    Beim Essen an jenem Abend kam die Rede zum ersten Mal auf das Ende ihrer Reise und die Rückkehr nach Blacknowle, ehe der Sommer dort zu Ende ging. Celeste fixierte Charles mit festem, unerbittlichem Blick.
    »Ich könnte für immer hierbleiben. Aber wir richten uns ganz nach dir, wie ich mich immer nur nach dir richte«, erklärte sie tonlos.
    »Bitte, Celeste. Sei nicht so«, sagte Charles und nahm ihre Hand.
    »Ich bin, wie ich bin. Gefühle lösen sich nicht einfach auf.« Sie zuckte mit den Schultern. »Wenn sie das täten, wäre das Leben wahrscheinlich leichter.« Sie sah ihn ohne Bitterkeit, aber so voll tiefer Emotionen an, dass er den Blick abwandte und eine Weile schwieg. Dimity saß in der abendlichen Hitze und spürte, wie sie innerlich brannte, als könnten ihre aufgestauten Gedanken

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