Das verborgene Lied: Roman (German Edition)
meisten anderen Gäste ihm galten. Ein kurzes, spannungsgeladenes Schweigen entstand. Zach dachte daran, Hannah besänftigend die Hand auf die Schulter zu legen, aber sie bebte vor Zorn, und er befürchtete fast, sie könnte herumfahren und ihn schlagen. Als sich niemand rührte, wandte Ed sich verächtlich und in gespielter Überraschung wieder Ilir zu. »Bist du immer noch da? Los, verschwinde, ehe ich die Einwanderungsbehörde anrufe.« Diese Worte zeigten bei Ilir sichtlich Wirkung. Das Blut schoss ihm ins Gesicht, und seine Augen weiteten sich. Zach hörte Hannah nach Luft schnappen, und ein hässliches Lächeln breitete sich über Eds gerötetem Gesicht aus. »Ach, so ist das«, sagte er hämisch.
Ed taumelte leicht, während er den unscharfen Blick durch den Pub schweifen ließ. Er schaute von einem Gesicht zum nächsten, als versuchte er, sie sich zu merken. »Ihr habt das alle gesehen, oder? Hab wohl einen wunden Punkt getrof fen, nicht? Wenn die Polizei dir einen Besuch abstatten sollte, würden sie dann vielleicht feststellen, dass deine Papiere nicht in Ordnung sind? Was, Freundchen?« Er tippte Ilir mit dem Zeigefinger an die Brust, und Zach erkannte, wie betrunken der Mann tatsächlich sein musste, wenn er die Mordlust auf dem Gesicht des Rom nicht bemerkte.
»Natürlich ist mit seinen Papieren alles in Ordnung, du Arschloch«, presste Hannah hervor.
»Na, dann wäre es doch kein Problem, wenn ich morgen mal bei den Bullen anrufe und ihnen den Tipp gebe, da mal nachzuschauen, oder?« Ed strahlte triumphierend.
»Ehrlich, Ed, warum vergisst du das nicht lieber und trinkst in Ruhe dein Bier? Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Wozu den Leuten solchen Ärger machen …«, sagte Pete beschwich tigend und stellte ein frisches Glas Bier vor Ed auf den Tre sen. Ed wandte den Blick mit einem schadenfrohen Grinsen wieder Ilir zu.
»Pack heute Nacht besser schon mal deine Sachen. Soweit ich weiß, lassen sie einem nicht viel Zeit dazu, ehe sie einen in den Flieger nach Hause setzen.« Er wandte sich ab, nahm sein Glas und versuchte zu trinken, ohne etwas zu verschütten. Im nächsten Moment stürzte Ilir sich auf ihn.
Der erste Hieb traf Ed seitlich am Kopf und bewirkte nicht viel mehr, als dass der Mann zur Seite torkelte und sein Bier fallen ließ. In einer Wolke von Schaum und Glassplittern zersprang es auf dem Boden. Ilir trat vor, packte Eds Hemd an der Brust und stieß ihn rücklings gegen die Bar. Vor schierer Wut bleckte er die Zähne. Zach hörte ein Keuchen von Hannah, und während er noch dastand und fassungslos die beiden Männer anstarrte, stürzte sie vor und versuchte, Ilir zurückzuziehen. Ed war betrunkener, aber er war auch größer als Ilir und hatte längere Arme. Er schaffte es, Ilir eine Faust ins Auge zu rammen, ehe dieser ihm aus nächster Nähe einen Hieb in die Magengrube versetzte, der Ed die Luft aus dem Leib presste. Doch er war nicht so hart getroffen, dass er sich krümmte oder sich gar davon aufhalten ließ.
»Ilir! Nicht!«, rief Hannah. Mehrere Männer traten vor und packten Ilir an den Armen. Weitere Leute hielten Ed zurück, der in trunkener Streitlust mit gerecktem Kinn und blutunterlaufenen Augen dem Angreifer nachsetzen wollte. Ilir sah aus, als könnte er den Mann wahrhaftig umbringen, und Zach trat vor. Er stellte sich neben Hannah, zwischen die beiden, und war froh, dass die Streithähne keinen Arm mehr rühren konnten.
»Hannah!«, brüllte Pete Murray. Er stemmte beide Hände auf die Bar, als wollte er darüber hinwegspringen und sich selbst einmischen.
»Ja! Wir gehen ja schon!«, sagte Hannah barsch. Ein Blut erguss erblühte auf Eds Wange, wo Ilirs erster Faustschlag vom Jochbein abgelenkt worden war.
»Ihr habt das alle gesehen! Ihr alle! Er hat mich angegriffen! Dich zeig ich an, verlass dich darauf, du beschissener Analphabet! Ich habe Zeugen!« Eds Stimme klang schrill vor Empörung.
»Also, Ed, jetzt beruhige dich. In der Hitze des Gefechts kann alles Mögliche passieren. Wir sind sicher alle zu erschrocken und verwirrt, als dass wir uns erinnern könn ten, wer als Erster zugeschlagen hat, nicht wahr?« Der Wirt blickte von einem seiner Stammgäste zum nächsten, und einige antworteten mit einem knappen Nicken. Ed verzerrte höhnisch das Gesicht und schnappte nach Luft.
»Ihr seid ein erbärmlicher Haufen! Ihr alle!«
»Lucy, sei so gut und ruf Ed ein Taxi. Er scheint sich nicht ganz wohlzufühlen. Und Sie …« Pete zeigte mit dem Finger auf Ilir.
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