Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das verborgene Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
Vom Netzwerk:
Auge.«
    »Bemuttere mich nicht so, Hannah. Ich bin kein Baby.«
    »Dann benimm dich auch nicht wie eines«, erwiderte sie trocken.
    Unten in der Küche setzte Zach Wasser auf und sah zu, wie Hannah aus Schränken und Schubladen eine Glasschüs sel, Salz und Watte zusammensuchte.
    »Ist Ilir denn illegal hier?«, fragte er. Hannah runzelte die Stirn, blickte aber nicht auf.
    »Streng genommen. Vielleicht. Aber wenn du mich fragst, ob er das Recht hat, hier zu sein? Und wie.«
    »Kann er denn kein Visum oder so etwas bekommen?«
    »Nein, so was, Zach, daran hatten wir ja noch gar nicht gedacht. Hör mal, wenn es eine schnelle, sichere Möglich keit gäbe, den Papierkram in Ordnung zu bringen, hätten wir es getan, okay? Er hat nicht einmal einen Pass.«
    »Du lieber Himmel, Hannah – was, wenn dieser Ed tatsächlich die Polizei ruft? Du könntest große Schwierigkeiten bekommen, nicht?«
    » Ich könnte Schwierigkeiten bekommen?« Sie drehte sich zu ihm um und baute sich energisch vor ihm auf. »Ilir hat früher im Roma-Viertel von Mitrovica gewohnt. Er und alle seine Nachbarn wurden nach dem Krieg aus ihren Häusern gejagt und gezwungen, in Flüchtlingslagern zu leben. Das Lager, in das er kam, lag auf den Abraumhaufen einer Bleimine. Einer Bleimine, Zach. Česmin Lug hieß es. Inzwischen ist es geschlossen, aber die haben diese Menschen jahrelang dort leben lassen. Seine Eltern sind daran gestorben. Die Kinder dort wachsen mit Bleivergiftung auf. Jetzt hat die UNO einige der Häuser in ihrem alten Viertel in Mitrovica wieder aufgebaut und versucht, die Leute wieder umzusiedeln – in eine Stadt, wo sie immer noch diskriminiert werden und in Angst vor rassistischen Übergriffen leben müssen. Eine Stadt, die seit einer Generation keiner von ihnen mehr als Heimat bezeichnen konnte. Und du machst dir Gedanken, weil ich Schwierigkeiten bekommen könnte, wenn sie ihn ausweisen?« Sie schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Ich meinte ja nur … Na ja, man zahlt hohe Geldstrafen, wenn man dabei erwischt wird, dass man Illegale beschäftigt.«
    »Illegale? Hat er jetzt keinen Namen mehr?«
    »Das war unglücklich ausgedrückt. Ich wollte damit nicht …«
    »Was sind unsere kleinlichen Sorgen im Vergleich zu dem, was ihm bevorsteht, wenn er abgeschoben wird?«, unterbrach sie ihn. »Was ist so wichtig daran, welchen Preis ich für meine Lämmer erziele, ob du dein Buch fertig schreibst oder es eine Definition für diese Beziehung gibt? Welche Rolle spielt das im Vergleich dazu, wie er dann leben müsste?«
    »Hat er dich da hineingezogen? Worin auch immer du verwickelt bist? Schmuggel … Kunstfälschungen … Er hat doch wohl mehr Kontakte zu solchen Kreisen als du.« Hannah starrte ihn einen Moment lang fassungslos an, dann blitzten ihre Augen vor Zorn.
    »Hör auf damit, oder du kannst auf der Stelle gehen. Das meine ich ernst.« Sie hob den Arm und wies zur Tür, und Zach sah, dass der ausgestreckte Finger am Ende dieses Arms zitterte.
    »Also gut«, sagte er leise. »Schon gut. Ich bin nur … Ich mache mir Sorgen um dich.« Hannah ließ den Arm sinken und nahm die Watte und die Schüssel mit dem Salzwasser.
    »Das ist nicht nötig. Ich komme klar.« Sie wandte sich ab und ging wieder hinauf.
    Einen Moment lang dachte Zach tatsächlich daran zu gehen. In den kalten Regen hinauszulaufen, allein, gescheitert. Er versuchte sich vorzustellen, dass Hannah ihm hinterherlief, wie sie Ilir nachgelaufen war, doch es war wesent lich wahrscheinlicher, dass sie ihn einfach ziehen lassen würde. Er suchte die Küche nach dem Instantkaffee ab, bereitete drei Becher zu und gab Zucker in alle drei, weil er keine Milch fand, mit der er es riskieren wollte. War er nur deshalb noch hier, weil er wusste, dass sie ihm einiges verheimlichte? War das alles? In diesem Fall sollte er lieber gehen. Er sollte nichts mehr mit ihr zu tun haben, denn wenn er die Authentizität der Dennis-Bilder öffentlich infrage stellte, würde er damit Hannah entlarven. Doch dann sah er sie vor sich, wie sie am Ende des Felsendamms gestanden und ganz allein auf die weite, leere See hinausgestarrt hatte. Die entschlossen gestrafften Schultern, die Art, wie sie sich mit gerecktem Kinn der Welt stellte, während zu Hause, in ihrem Privatleben, alles in Chaos und Vernachlässigung versank. Er hatte Kopfschmerzen, aber er erkannte vollkommen klar, dass er sie nicht verlassen wollte. Er schloss kurz die Augen, fluchte vor sich hin, trank dann einen Schluck Kaffee, nahm

Weitere Kostenlose Bücher